Fliegenpilz Amanita_muscaria

Fliegenpilz Amanita muscaria

Anton - ein Fliegenpilz auf Freiersfüßen

eine Buchbesprechung von Martin Wagner, Kirchwaldstr. 32, 68305 Mannheim

Im Tintling wurden schon zwei schöne Pilzbücher für Kinder vorgestellt - „Die Pilz-Uhr“ von Eva Raupp Schliemann und „Mein erstes Pilzbuch“ von Görel Kristina Näslund und Andrea Räder, doch die beiden ansonsten sehr empfehlenswerten Sachbücher haben den Nachteil, daß sie erst für Kinder ab etwa 10 Jahren geeignet sind. Das Interesse für die faszinierende Welt der Pilze kann aber schon viel früher geweckt werden. Deshalb möchte ich  heute auf ein ganz besonderes Pilzbuch hinweisen, an dem Kinder jeden Alters ab knapp 1 m Körpergröße
ihre helle Freude haben werden:

Maika Tyszkiewicz / Tini Spiegel: Anton der Fliegenpilz, München: AREPO Verlag 1986, 34 S., DM 9.80.


Ich sage es lieber gleich: Anton ist mein Freund und möglicherweise betrachte ich ihn deshalb nicht ganz objektiv. Doch das ist mir ganz egal. Denn er ist ein derart knuddeliger Wonneproppen, daß man ihn einfach liebhaben muß. Man leidet mit ihm, hofft mit ihm, und am Ende kann man sich von Herzen mit ihm freuen.

Doch der Reihe nach: Anton der Fliegenpilz ist zwar bekannt und beliebt,
aber trotzdem unglücklich und einsam. Da hilft nur noch eines: Anton braucht eine Frau! Folgerichtig wird er fein herausgeputzt und auf Brautschau geschickt. So macht er sich zuversichtlich auf den Weg um mögliche Kandidatinnen zu inspizieren: edle Steinpilze, pfiffige Pfifferlinge, reizende Reizker und zierliche Ziegenbärte, aber auch grimmige Satanspilze und todbringende Knollenblätterpilze. Doch wie das Leben eben so spielt - die einen wollen ihn nicht und die anderen will er nicht; mal hakt es an der Figur, mal am Outfit, mal an der Herkunft und mal am Charakter - keine Pilzin will so recht zu Anton passen. Als unser Freund schon zu verzweifeln beginnt, begegnet er schließlich einem wunderschönen Pilzmädchen seiner eigenen Art.
Sie ahnen es schon: Es ist Liebe auf den ersten Blick!
Anton ist überglücklich und wir sind es mit ihm. Dem Pilzgott sei Dank!
Nun, da wir Anton glücklich unter die Haube bzw. den Hut gebracht haben, können wir uns getrost seinen beiden adeligen Müttern zuwenden. Da ist zum einen die in München lebende russische Gräfin Maika Tyszkiewicz. Allein schon ihre Absicht, Kinder im Vorschulalter an die vielgestaltige und farbenfrohe Pilzwelt heranzuführen, verdient unsere Anerkennung, doch wie sie diese Idee didaktisch und methodisch umsetzt, ist schlichtweg meisterhaft. Indem sie ihre kleine Pilzkunde in eine amüsante Versgeschichte einbettet und den allseits bekannten Fliegenpilz als vertrauten Begleiter einsetzt, sichert sie sich die volle Aufmerksamkeit zukünftiger Pilzfreunde und vermittelt ihnen quasi beiläufig viele Informationen über Form und Farbe, Standort und Speisewert einiger der bekanntesten Pilze. Kann man von einem pädagogisch motivierten Kinderbuch mehr verlangen?
Ja, man kann - nämlich adäquate Bilder! Und damit kommen wir zur zweiten Mutter von Anton,
zu Gräfin Tini Spiegel. Sind die Verse von Maika Tyszkiewicz schon genial,
so sind die Illustrationen von Tini Spiegel zumindest kongenial.
Sie verleiht nicht nur dem Fliegenpilz Anton und einem Dutzend anderer Pilzarten ein unverwechselbares Gesicht, ihre 15 ganzseitigen Farbtafeln überzeugen darüberhinaus durch eine realistisch-idealistische Darstellungsweise, die hinsichtlich akribischer Detailgenauigkeit und kindgerechter Verspieltheit keine Wünsche offen lässt. Auch beim wiederholten Betrachten der vielschichtigen Bilder fallen immer wieder neue Details ins Auge: Ob Totengräber-Käfer mit Schaufeln, Ameisen mit Eßbesteck, Raupen mit Sonnenschirm oder Marienkäfer auf dem Hochseil - der kindlichen Phantasie werden keine Grenzen gesetzt.
Die symbiotische Einheit von Text und Bild macht dieses Kinderbuch unwiderstehlich, ja geradezu unentbehrlich - nicht nur für naturinteressierte Kinder, sondern auch für deren Eltern und nicht zuletzt für Pädagogen, die eine erste Unterrichtseinheit über Pilze gestalten wollen.
Zum Schluß noch ein wichtiger Warnhinweis: Falls Sie dieses wundervolle Büchlein einem kleinen Naturfreund schenken wollen, zeigen Sie es bitte vorher keinesfalls  den zuständigen Erziehungsberechtigten, denn sonst könnte es leicht passieren, daß unser Anton nicht im Kinderzimmer, sondern als besonderes Schmankerl im Bücherschrank der Eltern landet. Ich spreche da aus Erfahrung!

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