Spitzkegeliger Kahlkopf Psilocybe semilanceata

Spitzkegeliger Kahlkopf Psilocybe semilanceata

Karljohan war noch immer nicht in der Lage, eine adäquate Antwort zu geben.

Dafür regierte er diesmal spontan und nonverbal: Er raffte er alle seine Kräfte zusammen und versetzte dem Alten einen Kinnhaken. Innerhalb von Sekundenbruchteilen lieferten sich die beiden eine Schlägerei wie die letzten Asozialen. Im Schlafzimmer ging ein Spiegel zu Bruch, ein Tisch fiel um und einige Möbelstücke veränderten ihren Standort. Im Kinderzimmer brüllte Selina wie am Spieß.
Häubling senior kreischte, nachdem er wieder halbwegs auf die Beine gekommen war: „Wenn das noch einmal vorkommt, drehe ich dir den Hals um.“ Er hatte Schaum vorm Mund und blutete aus der Nase.
„Leck mich mal am Arsch“ wetterte Karljohan wie von Sinnen.
„Kann man bei dir ruhig machen, du hast die Scheiße ja im Kopf“ plärrte der Berserker zurück, bevor er wie eine Furie wieder die Treppe herunterstürzte und seine Wut wieder einmal an seiner Frau ausließ. Das zweite Mal schon in dieser Woche. Ulrike konnte oben hören, wie dieser Wahnsinnige seine Frau fertigmachte.
Wie er ihr vorrechnete, daß sie für das, was sie hier leistete, eigentlich noch draufzahlen müßte. Statt dessen machte sie sich auf seine Kosten ein bequemes Leben. Sie genau so wie der faule Schmarotzer da oben, der sein Leben lieber im Bett verbrachte, als daß er seinen Teil zum Überleben der Firma beitrug.
„Das arbeitsscheue Monster, das vor dreißig Jahren aus deinem Bauch rausgekommen ist, wagt es dann auch noch, mich, seinen eigenen Vater, anzugreifen. Die ganze Sippschaft hier im Haus lebt auf meinen Knochen wie die Made im Speck und das ist dann der Dank.“
Morgen früh würde Gundula Häubling wieder einmal wortreich erklären, daß der blaue Fleck an ihrer Schläfe von einem Stoß gegen den Schrank rührte. Ulrike verzog sich mit Selina in die hinterste Ecke ihrer Wohnung und war heilfroh, als endlich wieder Stille im Haus eingekehrt war.
Nein, das hier würde sie nicht länger als notwendig mitmachen. Unter keinen Umständen.
Ende November war finito. Es sei denn, daß sich ihr Mann endlich zur Wahrheit bekannte.
Ihr Leben würde sich demnächst in jedem Fall ändern. So oder so.

War er nicht vielleicht schon längst verrückt geworden?

Doch, war er. In dieser Stunde, an einem Samstag, ungefähr zwei Wochen nach der Zustellung der Vorladung und vier Tage vor der Verhandlung, war er felsenfest davon überzeugt. Sein Hirnkasten war defekt, er führte ein Eigenleben, das seinen Besitzer schlimmer leiden ließ als die übelste Krankheit und der gräßlichste Unfall zusammen. Wer kann denn das schon nachvollziehen? Seine Mutter nicht und sein Vater schon gar nicht. Auch Ulrike nicht, sonst hätte sie ihn ja nicht verlassen. Er war gescheitert an der Trennung von seiner Frau und seiner Tochter. Gescheitert an der panischen Furcht vor Verurteilung und Eingesperrtsein. Zerbrochen an den Gedanken an die Toten und Vergifteten, die schließlich er allein auf dem Gewissen hatte, denn er hatte die Pilze ja von dem Stümper Sournois gekauft.
Am Montag würde er Jean-Claude Sournois einen Besuch abstatten.

Equal get it wider, auf deutsch: Gleich gehts weiter .

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