Zunderschwamm Fomes fomentarius.
Die
Zundelmacherei
Über die Verarbeitung des
Zunderschwammes berichtet Ruth Müller,
Schwarzenberg
Noch um die Mitte des 19.
Jahrhunderts trug der Bauer,
Fuhrmann, Jäger, kurz, jeder, der viel im Freien zu tun hatte,
Feuerstein,
Stahl und Zunder bei sich; war es doch ein ungefährliches,
leicht
transportables, nie versagendes Mittel zur Feuerbereitung für
die Pfeife. Stein
und Schwamm lagen meist in ungefähr 4 cm hohen und ebenso
breiten Behältern
aus Messing, deren konvexe Außenränder einen 3 mm
starken Stahl umschlossen.
Oft waren diese Büchschen recht zierlich, mit getriebener
Arbeit.
Der Zunder
wurde aus der artenreichen Familie Polyporaceae
(Porlingsverwandte) gewonnen.
Die vieljährigen holzigen Arten, wie der Graue Feuerschwamm Phellinus
igniarius an Weiden
und Fomitopsis pinicola
an
Fichten, gaben nur minderwertigen, aber der Echte Zunderschwamm Fomes fomentarius
Fr. den
vorzüglichsten Zunderschwamm. Er wächst an alten
Buchenstämmen, polsterartig,
halbkreisförmig, graulich, im Inneren gelbbraun, mit dicker,
harter Rinde und
langen Poren. Das weiche Gewebe in seinem Fruchtkörper-Inneren
liefert den
Zunder.
Der Schwarzwald, die Eifel, der Bayrische Wald, die Wälder in
Österreich-Ungarn
boten früher reiche Ausbeute. In Baden, wo sich zu Anfang der
siebziger Jahre
des vorigen Jahrhunderts noch drei größere
Geschäfte mit Herstellung von
Zunder befassten, und zwar eines in Freiburg, zwei in Todtnau, waren
die
heimischen Wälder schon damals nicht mehr ergiebig genug. Die
Pilze mussten aus
Kroatien und Siebenbürgen bezogen werden und kamen in Ballen
von je 200 Pfund
dahin. Ein Bericht der Wiener Weltausstellung von 1875
erwähnt, dass Badens
Zunderbereitung noch 70 Personen beschäftigte und eines der
Todtnauer
Geschäfte im Jahre 1871 noch 750 Zentner Zunder herstellte. In
Hessen waren im
Jahre 1900 in den Kreisen Darmstadt und Dieburg noch vier, 1909 aber
nur mehr
zwei Zunderarbeiter. Im Bayrischen Wald fand ich im Frühjahr
1914 noch drei
alte Leute an drei verschiedenen Orten, die sich damit befassten, und
zwar Josef
Hackl in Zwölfhäuser bei Mauth, Elisabeth Schwarz,
allgemein "Zunder-Lisl"
genannt, zu Herzogsreut und Alois Roxleutner zu Altschönau bei
St. Oswald.
Früher konnte man für jährlich 8,
später für 10 M. einen Pachtschein
lösen, um den Pilz in den bayrischen Staatswaldungen sammeln,
"zundern"
zu dürfen. Die Zundelmacher klagten mir, dass man in den
Wäldern selten mehr
als einen Schwamm findet, noch seltener Zunder verlangt wird, und gar
niemand
mehr eine Mütze daraus tragen will. Denn je nach seiner
Bearbeitung wurde er
als Zunder oder zur Blutstillung bei Wunden für Apotheken oder
zur Herstellung
von Mützen, Westen oder dergleichen verwendet.
Bis zu seiner Verarbeitung wird
der Pilz an feuchten Orten aufbewahrt; ist er dennoch trocken und hart
geworden,
wird er in Wasser gelegt, dann entrindet und mit scharfem Messer in
dünne
Platten geschnitten, wobei man möglichst den Jahresringen
folgt. Hierauf wird
er mit einem Holzhammer geklopft und, damit die Lappen recht weich und
biegsam
werden, mit der Hand geknetet und gedehnt. Die schwammig-lockere
Beschaffenheit
des Materials ermöglicht, dass ein gutes Stück bei
Verminderung seiner Dicke
auf des Zehnfache seines Flächeninhaltes vergrössert
werden kann. So wurde
einstmals in Todtnau von einmal besonders grossen Pilz eine mehrere
Quadratmeter
grosse Fläche gewonnen, aus der ein Talar für den
Erzbischof von Freiburg
gefertigt wurde. Die Weichheit und Leichtigkeit dieser gekneteten
Lappen macht
sie ganz besonders zur Herstellung von Mützen geeignet, wie
sie früher im
Bayrischen Walde von Jung und Alt getragen wurden und durch die kleinen
Märkte
an den Kirchweihtagen sich auch nach verschiedenen Orten des
angrenzenden
Gebietes verbreiteten. Die hübschesten Zunderhauben bestanden
aus einem
einzigen Stück oder aus zwei Teilen, dem Mützenboden
und dem 6 - 7 cm breiten,
mit eingepresster Jagdszene verzierten Randstreifen. Ich kaufte solche
Haube
1914 in Passau zu vier Mark, bei ihrem Verfertiger zu drei Mark. Eine
Mütze mit
5 - 7 teiligem Boden, zu dem kleine, minderwertige Lappen verwendet
werden
können, kostete nur zwei Mark. Bei allen sind die
Ränder mit grünem Band
umfasst, um sie dauerhafter zu gestalten. Um einen leicht
gewölbten
Mützenboden herzustellen, wird ein Lappen über eine
Hutform gestülpt, die aus
zwei, durch eine Schraube verbundenen Holzteilen besteht und so lange
darüber
gestreckt, bis die erforderliche Grösse erreicht ist. Der zum
Rande bestimmte
Streifen aber wird befeuchtet, dann mehrere Tage zwischen zwei starke
Brettchen
gepresst, wovon die Innenseite des einen die eingeschnittene Zeichnung
eines
bäuerlichen Künstlers trägt. Der warme
bräunliche Ton eines gleichmässigen
Pilzstückes gleicht oft kurz geschnittenem altem Sammt.Auch in
Ungarn und
Siebenbürgen, wo der Gebrauch des Zunders noch weit mehr
üblich ist als in
deutschem Gebiet, stellte man vor Jahrzehnten in den Städten
Agram und
Hermannstadt verschiedene Gegenstände wie Kissen,
Täschchen, Mappen und dergl.
aus diesem Material her.
Was zu
Zunderschwamm bestimmt wird, kommt in einen
Kessel und wird mit Zusatz von Asche oder Salpeter gekocht, dann an der
Sonne
getrocknet und wieder geknetet und gedehnt. An manchen Orten
wünschte man nur
den dunklen, gefärbten Zunder. Der Preis richtete sich nach
Grösse und
Weichheit der Lappen. Nach dem schon erwähnten Bericht von
1875 kostete damals
in Baden der Zentner gewöhnlichen Zunderschwamms 9 Taler (27
M.), mittelguter
18 Taler (54 Mark) feiner 40 Taler (120 Mark.). Der beste Wundschwamm
für
Apotheken ungebeizt und ungefärbt aber 70 Taler (210 M.) Im
Bayrischen Wald
kostet heute das Kilo gewöhnlichen Zündschwamms 6
Mark. Vergleicht man diesen
Preis mit dem oben angegebenen vor 40 Jahren, so findet man ihn
ausserordentlich
gestiegen; denn der Zentner, dass sind 56 Kilo, kostete damals 27 M. (9
Taler),
heute 336 M.
Hand in Hand mit
dem Bürstenhandel ging früher der
Handel mit
Zunder,
und auch heute fahren Hausierer diese zwei verschiedenartigen
Artikel
weiter, wie die deutsche Bürstenmacher-Zeitung beweist, in der
ab und zu
Anzeigen erscheinen, dass Geschäftsleute in Thüringen
und in Polen Zunder
anbieten.
Rohmaterial und solches in dem Verlauf seiner Bearbeitung, gleichwie
fertige Mützen, zeigen das Städtische Museum
"Odenwald-Sammlung" in
Darmstadt, die Königl. Sammlung für Deutsche
Volkskunde in Berlin und das
Hamburgische Museum für Völkerkunde zu Hamburg.
Der
Bericht ist von Marie
Andree-Eysn
und er war in der der Zeitschrift des Vereins für
Volkskunde 1915
(Jg. 25) publiziert
Zum Zunderhandwerk
eine
Ergänzung . zur
Tintling-Hauptseite .
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