Zunderschwamm Fomes fomentarius

Zunderschwamm Fomes fomentarius.

Zur Zundelmacherei Heft 2/98 

ein Leserbrief von Ruth Müller zum Bericht über die Zundelmacherei

Der Zunderschwamm, Fomes fomentarius, gehörte einst zu den Wahrzeichen des Thüringer Waldes.
Die Zunder-Gewinnung war ein wichtiger Erwerbszweig der Thüringer-Wald-Bewohner.

Aus dem Vorkommen des Zunderschwammes hatte sich im 18. Jahrhundert ein waldgebundenes Gewerbe entwickelt, das bis zum Aufkommen der Schwefelhölzer etwa 1830 als Material zur Entfachung des Feuers diente. Damals wurde der Zunder aus dem echten Zunderschwamm Fomes fomentarius in einem umständlichen Verfahren gewonnen. Zunächst befreite man die Pilze von allen holzigen Teilen, dann wurde die weiche Schicht 8 - 14 Tage lang in Pottasche oder Lauge aus Urin und Asche gelegt, sodann ausgewaschen, langsam getrocknet, mit einem Holzhammer auf einem Holzamboss dünn ausgeklopft und mit den Händen weichgerieben. Um den Zunder noch leichter brennbar zu machen, wurde er mit Salpeterlösung oder mit Kaliumchloratlösung getränkt oder gar mit Schießpulver eingerieben.
Die "Schwamm-Männer" waren eine typische Erscheinung im Wald. 
Sie suchten nicht die essbaren Pilze im Wald, sondern die hauptsächlich an alten Buchen wuchernden Baumschwämme, die zu "Feuerschwamm" verarbeitet wurden. Da oft die größten Exemplare hoch oben am Stamm wuchsen, wurden Klettersporne zur Ernte verwendet. Bei LENZ wird nachgewiesen, dass in den Jahren 1770 - 1780 täglich bis zu 20 Pfund von einem Sammler erbracht werden konnten. Neustadt a. Rennsteig wurde als Mittelpunkt der thüringischen Zunderindustrie ("Schwamm-Neustadt") weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. Zur Deckung des Bedarfs wurden Schwämme auch aus Böhmen, Ungarn, Süddeutschland, der Schweiz und Südschweden gekauft und in Neustadt verarbeitet.

Für den Hausgebrauch der armen Waldbewohner wurden auch andere Porlingsarten zur Zundergewinnung verwendet, wie Feuerschwamm, Phellinus igniarius, Eichenwirrling Daedalea quercina, Flacher Lackporling Ganoderma applanatum u.a. 

Nach der Erfindung der Zündhölzer verschwand in kurzer Zeit dieser Erwerbszweig, der sich auch auf die Produktion von Schürzen und Kopfbedeckungen für Bergleute, Mützen, Beutel, Handschuhe, Taschen, Bilderrahmen, Ornamente u.a.m. ausgeweitet hatte. FLÜCKINGER schreibt 1881, dass in Deutschland im Jahre 1880 1000 Zentner Zunder fabriziert worden waren. Ursache des starken Rückganges der Rohmaterialbeschaffung war die Verdrängung der Rotbuche durch ertragreichere, wuchsgünstigere Nadelholzarten auf dem Thüringer Wald. Heute ist das Feuerbesteck mit Stahl, Stein und Schwamm als Sehenswürdigkeit nur in wenigen Altertumssammlungen anzutreffen.

 Tintling