Zunderschwamm - Lunte - Flamme.  Die archaische Methode ein Feuer zu entfachen.
von Hans D. Zehfuß, Pirmasens  

Der Echte Zunderschwamm (Fomes fomentarius) ist ein zunächst parasitisch, dann saprobiontisch lebender und an verschiedenen Laubbäumen vorkommender Pilz. Seine hauptsächlichen Wirtsbäume sind Buchen und Birken, gefolgt von Hainbuchen und Eichen. Die Fruchtkörper sind mehrjährig, hufförmig, positiv geotropisch am Substrat orientiert; sie erreichen eine Größe von diametrisch bis ca. 50 cm, Höhe bis 20 cm. Die Konsistenz ist holzartig hart. Die Oberseite ist mehr oder weniger segmentiert buckelig bis höckerig und mit einer Kruste überzogen. Diese ist hellbeige bis schwärzlich gefärbt, mit einer hellen Zuwachskante am Rand.
Die Fruchtschicht an der Unterseite der Basidiocarpien ist eben, feinstporig; jung cremefarben bis hellbräunlich, im Alter braungrau. Die Farbe des ausfallenden Sporenstaubes ist weiß. Der Geruch der Pilze ist angenehm fruchtartig, ihr Geschmack eher bitterlich.
Schneidet man die Basidiocarpien quer durch, wird ein reich strukturierter innerer Aufbau deutlich, der vier Hauptbestandteile erkennen lässt: An der Anwachsstelle, in deren oberem Bereich, fällt zunächst als mehr oder weniger knolliger, weiß-braun marmorierter Einschluß, der sogenannte Mycelialkern auf. Darunter schichten sich mehrere miteinander verbundene Röhrenschichten (Hymenialschichten) auf. Ihre Anzahl entspricht jener der Inkremente auf der Oberseite. Die Farbe der Schichtungen ist dunkel graubraun.
Zwischen der Kruste auf der Oberseite und dem Mycelialkern, bzw. den Hymenialschichten breitet sich die Trama aus. Das ist die eigentliche Rohsubstanz für die Lunten-Herstellung.

Vom Zunder zur Lunte
Zunächst wird Material von frisch gesammelten Basidiocarpien in feuchten Kellerräumen zur Fermentierung gelagert; damit „der Schwamm aufbrause und wild werde“ wie in einem alten Rezeptbuch zu lesen steht.
Für die Luntenherstellung müssen Kruste, Mycelialkern und die Röhrenschichten entfernt werden. Die verbleibende Zunderschicht (Trama) wurde ca. 14 Tage in einem Holzbottich in feuchte Holzasche (Pottasche) eingelegt. Sodann wird sie wieder abgetrocknet und in halbfeuchtem Zustand weichgeklopft, gewalkt, gezogen und gewalzt, bis sich ein lederartiger Lappen, die sogenannte Lunte oder der Zunder ausgebildet hat. Eine Qualitätssteigerung ist zu erreichen, wenn man diese zusätzlich mit Salpeterlösung tränkt oder mit Salpetersalz  einreibt.

Die Trama des Echten Zunderschwammes erfährt bei ihrer Verarbeitung zu Lunte also sowohl eine mechanische wie chemische Behandlung. Zur mechanischen Behandlung sind Holzhammer, -schlägel oder -stempel zum Weichklopfen notwendig. Als Unterlage hierfür wird ein Holz-Amboß gebraucht.
Notwendige Chemikalien sind Kaliumcarbonat, welches in Form der Pottasche vorliegt und Kaliumnitrat in Salpeter. Pottasche wurde in früherer Zeit bei der Pottasch-Brennerei gewonnen, wobei vorwiegend Buchenholz verbrannt wurde. In größeren Buchenwald-Regionen, wie im Pfälzerwald, stößt man noch häufig auf Ortsangaben in denen der Begriff enthalten ist, wie z.B. Pottaschbrunnen, Pottaschplatz, Pottaschtal usw. Pottasche wurde auch für andere Herstellungsprozesse, z.B. die Glasmacherei gebraucht. Die Pottasch-Brennerei war neben der Glasmacherei und Köhlerei ein Hauptgrund für die Devastierung der Wälder in Mitteleuropa zur Zeit des Merkantilismus.
Die Bezeichnung Salpeter kommt von dem lateinischen sal-petrae, d.i. Salz aus Fels oder Stein. Im Altertum war vor allem der ägyptische Kalisalpeter, der auf Kaliböden nach Befeuchtung Kristalle bildet, ein begehrtes Handelsprodukt. Später war es der Chile-Salpeter (Natriumnitrat), aus welchem Kali-Salpeter hergestellt werden kann und der weltwirtschaftlich als Rohmaterial für die Düngemittel- (und Sprengstoff-) Herstellung einmal eine riesige Bedeutung hatte. Salpeter-Kristalle kennt man auch als weißen Kristallbelag auf feuchten Sandsteinmauern bei uns, vornehmlich in der Umgebung alter Fäkaliengruben.

Die Entfachung von Feuer
Zunder-Lunte ist gleichzeitig leicht entflammbar und lange nachglimmend, weshalb sie lange, eigentlich bis zum Aufkommen der Zündhölzer begehrt war. Von ihrer Herstellung lebten ganze Ortschaften. So Neustadt am Rennsteig in Thüringen, welches danach Schwamm-Neustadt genannt wurde. In dem besagten Ort wurden auf dem Höhepunkt der Zunderproduktion in der Mitte des 19. Jahrhunderts pro Jahr ca. 400 kg Zunder-Lunten hergestellt. Da die Zunderschwamm-Vorkommen im Thüringer Wald nicht ausgereicht haben, um die Luntenproduktion in dieser Höhe am Laufen zu halten, schickte man Aufkäufer in die umgebenden Wald-Regionen, wie den Böhmischen und Bayerischen Wald, das Fichtelgebirge, ja selbst bis in die Schweiz, Österreich, nach Spanien und Skandinavien.
Neben dem Zunder sind zur Entfachung eines Glutnestes, Pyrit (Schwefeleisen, bergmännisch Eisenkies, volkstümlich Katzengold) als Funkengeber und Quarz (Siliziumdioxid) als Funkenschläger notwendig. Nachdem die Mensch das Schmieden von Eisen praktizierten, wurden die Quarze in dieser Funktion durch Feuerstähle abgelöst. Feuerstähle sind gewunden geschmiedete, knapp hand-tellergroße Flachstähle, die eine gerade Seite aufzuweisen hatten (siehe Skizze). Quarz in Form von Bergkristall fand man neben fossilierten Zunderschwämmen bei Ausgrabungen  der  Überreste   von  Pfahlbau-Siedlungen (Neolithicum) im Voralpengebiet. Ötzi der Gletschermann führte, wie Prof. Sauter von der Techn. Universität Wien nachgewiesen hat, Zunder und Pyritkristalle in seiner Riementasche mit sich. Quarz brauchte er nicht mitzutragen, den der lag auf seinem Weg überall herum.
Pyrit kommt von  griechisch pyrites, was funkensprühend bedeutet, von wo die Namensgebung der Alten herrührt. Wie man herausgefunden hat, ist dieser Name jedoch nicht fest an Eisenkies gebunden. So führt Plinius d.Ä. in seiner „Historia Naturalis“ mehrere Feuersteine (Pyrite) auf, die unterschiedliche Elemente enthalten. Der heute allgemein so bezeichnete Stein ist ein Gemenge aus Chalcedon und Opal (Flint, Silex), also ebenfalls ein Quarzmineral. Feuerstein kann bei der Verwendung von einem Feuerstahl als Funkenschläger an die Stelle von Schwefeleisen treten.
Gemäß dem Untertitel des Aufsatzes, wollen wir hier die archaische Methode näher vorstellen:
Glut entsteht, wenn man mit der einen Hand ein Stück Pyrit und ein Stück Zunder zusammen festhält. Mit der anderen Hand führt man mit Quarz einen ziehenden Schlag gegen den Pyrit aus. Die dabei entstehenden Funken müssen auf den Zunder auftreffen. Bei genügender Funkeneinwirkung bildet sich auf der Lunte ein Glutnest. Darüber wird leicht entflammbares pflanzliches Material, wie z.B. Samenhaare von Wollgräsern, Flughaare von Pappel oder Weide, auch Birkenrinde oder Weichholz-Späne gelegt und die Flamme angeblasen.
Zunderlunte, Pyrit und Quarz zum Feuer entfachen

Sonstige Verwendungen von Zunder
Weil eine Lunte aus Zunder längere Zeit am Glimmen gehalten werden kann, eignete sie sich zum Entzünden von Schießpulverladungen in Gewehren (Musketen) und Kanonen. Dies war in der Zeit vor der Erfindung des Steinschlossgewehres.
Zur Milderung der Folgen von Gewehr- und Kanonenschüssen bei noch lebenden Menschen, wurde ebenfalls Zunder genommen. Als blutaufsaugendes und blutstillendes Verbandsmaterial dienten die aus dem selben Material hergestellten „Blutschwämme“.
Aus den Karpaten ist Zunder als Rohware für die Herstellung von Kappen und Hüten, Tischläufern, Taschen, ja sogar Kinderhosen bis in die neuere Zeit in Gebrauch geblieben. Selbst kunsthandwerkliche Gegenstände aus Zunder sind bekannt.

Literaturangaben
Bauer, B.W. (1990): Wie die Menschen der Steinzeit lernten Feuer zu schlagen.- R. Bauer-Selbstverlag Ehingen-Mundingen.
dpa (1995): Der Pilz, mit dem Ötzi Feuer machte.- Schwäbisches Tagblatt Nr. 53.
Hein, W. & F. Trommer (1995): Brennt wie Zunder, steinzeitliche Feuererzeugung. Eiszeit-
Werkstatt, Museumsheft 2.S.77.- Urgeschichtliches Museum Blaubeuren.
Kastner, M. (1995): Ein historischer Erwerbszweig in Neustadt am Rennsteig. Die ZunderHerstellung.- Neustadt am Rennsteig.
Lübke, A. (1939): Freundschaft mit seltsamem Handwerk S.126 ff.- Helingsche Verlagsanstalt Leipzig.

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