Sommer-Trüffel Tuber aestivum Jean-Louis Lamaison In diesem besonderen Fall war die plötzliche Erkenntnis grell, schmerzhaft und selbst für Unbeteiligte nicht zu übersehen. Häubling wurde von einer Sekunde zur anderen bleich wie der Tod. „Was soll das?“ krächzte er. „Ich verrate dir, was der Grund für meine Feier ist: ziemlich genau heute vor einem Jahr habe ich deinem Filius Pilze angedreht. Es war das letzte Geschäft, das ich mit der Firma Häubling & Sohn gemacht habe. Die Pilze damals habe ich zu einem Spottpreis angeboten und selbst den hat mir dein Junger noch halbiert. Sag mal, was macht er eigentlich?“ „Wer? Karljohan?“ „Wer sonst?“ „Dient Würmern als Grundnahrung. Der Feigling hat sich aufgehängt.“ Sournois nickte verstehend und meinte gedehnt: „Ja ja, ein Unglück kommt selten allein.“ Häubling wurde allmählich wütend. Was bildete sich dieser ausgedürrte Gallier eigentlich ein? Doch der war nun nicht mehr zu bremsen. „Weißt du eigentlich, wie lange ich gebraucht habe, um die zehn Kilo von den klitzekleinen Spezialpilzen zu sammeln? Häubling´s Blick war fragend und verständnislos zugleich. „Einen ganzen Tag lang. Von frühmorgens bis spätabends. Und da hatte ich noch Glück, weil die wirklich mal ausnahmsweise reichlich wuchsen. Es gab ungeheure Mengen davon, hunderttausende bestimmt. Die sind sonst nämlich ungewöhnlich selten. Jahrelang mußte ich warten, bis sie einmal in dieser Menge fruktifizierten. In einem meiner kalkhaltigen Buchenwälder. Den anderen, den ebenfalls tödlich giftigen Spitzgebuckelten Rauhkopf, habe ich in den sauren Nadelwäldern auch gefunden, aber nicht in der Menge, daß ich sie dir hätte zum Handeln anbieten können. Der Buchenwald beim Schloß von Fontainebleau war mein Glück. Nur die ganz jungen habe ich genommen. Noch fest geschlossen, goldgelb und verlockend appetitlich. Sonst hätte mir dein Ableger am Ende noch weniger Geld dafür gegeben. Oder schlimmer noch: Er hätte sie auf einmal gar nicht genommen und alle Mühe wäre umsonst gewesen. Fortsetzung
folgt
Tintling
2000 |