Zwei Bücher für
Kleine und Große
Großvater ist ein Säufer gewesen...
„Ja, ja, wir Tintlinge, wir sind schon welche, wir kleinen
Schäker, wir...!“ ist einer der kessen
Sätze aus einem längst vergriffenen Buch, das von
Karl-Ulrich Lechner als S/W-Kopie leihweise
überlassen wurde und in dem die Pilze selbst
zu Wort kommen: „Ist er nicht köstlich,
unser kleiner Glimmertintling?“ (Coprinus micaceus),
stellte eine
walzenförmige Spargelpilzdame, geborene Schopftintling (Coprinus comatus),
fest,
deren dunkel-rosa angehauchte Blätter darauf hindeuteten,
daß bei ihr der Reiz der ersten Jugend bereits verflogen
war. Die Spargelpilze waren die stattlichsten Vertreter der
Familie. Aber feine Leute würden das nie werden, wie schon
ihre bereits erwähnte Vorliebe für
Schuttplätze und ähnliche ärmliche
Wohngegenden bewies...
Ganz andere Probleme hat die Hochgerippte Becherlorchel (Helvella acetabulum):
sie
schämte sich ständig, weil man die aufsteigenden
Stielrippen an ihrer blasseren Außenseite für
Krampfadern halten könnte..
Und was dann erst im Stammlokal „Zur Alten
Eiche“ los ist...., z.B. wenn die Grünen
Knollis in der Jahreshauptversammlung vehement die
Mitgliedschaft im erlauchten Kreis der Feinspeislinge begehren...
In diesem vergnüglichen Stil erhält der Leser
zahlreiche korrekte pilzkundliche Informationen - z.B. in
Form einer „Modenschau im
Kiefernwald“, der „Rache der
Verbitterten“, der „Waldmeisterschaft im
Fliegengewicht“, des „Sommerballes in
Täublingshausen“ und und und...
Einen Satz aber kann die Tintlingsmutter aus eigener Erfahrung nicht
bestätigen: „Die Lorcheln die alten Schrullen, sind
einfach zum Kotzen.“
Hans-Georg Herde:
Pilze einmal anders.
VEB Deutscher Landwirtschaftsverlag Berlin 1965, vergriffen.
Ein anderes Buch mit vergleichbarer Thematik ist hingegen neu
und leicht erhältlich: zum Sonderpreis DM
20.- aus dem Scheunen-Verlag, Kückenshagen. Es hat
117 S. und ist 1996 erschienen:
Die
Abenteuer des Kriminalkäfers Luten Krabbelfoot im
Pilzewald
mit Illustrationen von Katrin Kunde.
Mia Siebenpunkt hat ziemliche Probleme mit Fremdwörtern, Pia
Fühlerschön will immer und überall die
Hübscheste sein und Luten Krabbelfoot gilt als der
große Detektiv in der Käferschar. Der
Nashornkäfer hat denn auch mit seinen Freunden einen
verzwickten Kriminalfall aufzuklären: ein tödlich
giftiger Knollenblätterpilz (Amanita phalloides)
soll die Ehre der Natur in Frage
stellen.
Allerdings ist der pilzunkundige Luten bei der
Aufklärung des Falles auf mannigfache Hilfe angewiesen: z.B.
der von Martha Snickermuus, die schon an manchen dieser dubiosen
Gesellen gekostet hat: die Schwarze Nacktschnecke ist
schließlich Spezialistin für Pilze. Auch andere
Freunde aus dem Tierreich tragen mit unzähligen
Grundinformationen dazu bei, daß Luten nicht
unwissend bleibt.
Und
natürlich die Pilze selbst: Die
Frauentäublinge, die anderen Pilzarten
oft
ähnlicher sehen als sich selbst,
Stine
Stänker, die Stinkmorchel und der hochwohlgeborene
Edel-Reizker.. und und.. und die Hallimasche, die mit ihren schwarzen
Rhizomorphen nach Stasi-Manier den ganzen Waldboden durchziehen...
Allein wegen dieser vielen mehr oder weniger versteckten
Anspielungen, aber auch wegen der treffenden Namen der Akteure (Benedix
Amatinus, Roter Fliegenpilz, Heilpraktiker von Beruf) lohnt die
Lektüre.
Nun, der Fall wird schließlich aufgeklärt: der
Täter Siegbert Knollfuß ist eigentlich ein
Baumhelfer und die vermeintlich wahren Schuldigen Ambrosius Schleimer
und Schubi Schuftler, die Hallimasche. Doch bei der gerechten
Hauptverhandlung kommt es heraus: die Menschen sind die Täter,
allein durch ihre einseitige Wertung.
Hans-Heinrich Kunde und seine Tochter haben ein nettes
Büchlein geschrieben, das gespickt ist mit subtilen
Seitenhieben, mit Liebe und Philosophie, Pilzkunde und hintersinnigem
Humor.
|