Ist die Nebelkappe, Clitocybe nebularis (Fr.) Harmaja, ein Speisepilz?

Von Dr. Volkbert Kell, Rostock 

In Rostock kam es im Oktober 1998 zu sechs durch Nebelkappengenuß verursachten Vergiftungsfällen (die Dunkelziffer liegt sicherlich viel höher), die zum Teil sehr heftigen Charakters waren und zu mehreren Klinikaufenthalten führten. 
In einem Fall hielten sich einige Vergiftungssymptome (Übelkeit, Mattigkeit, Unwohlsein) sogar eine Woche lang.
Bei allen Vergifteten traten heftiger Durchfall, oft verbunden mit Erbrechen, und starke Übelkeit auf.

In der mykologischen Literatur gilt die Nebelkappe, die vielerorts auch als Nebelgrauer Trichterling oder als Graukappe bezeichnet wird, als "essbar" oder "bedingt essbar". Nach Befragung der "Opfer" stellte sich heraus, daß vier der Vergifteten das Pilzgericht nur kurz (10-15 Minuten) erhitzt hatten. In den beiden anderen Fällen jedoch wurde das reine Graukappengericht intensiv über mindestens 30 Minuten geschmort. Bemerkenswerterweise waren die Vergiftungserscheinungen bei den beiden letzten Fällen am heftigsten. Das Schmoren der Pilze erfolgte stets ohne vorheriges Abbrühen.

Nebelkappe Clitocybe nebularis 
Nebelkappe Clitocybe nebularis

Welche Vergiftungsursachen kommen in Frage ?

1. Clitocybe nebularis ist bekannterweise roh giftig. Die Toxine, die die Rohgiftigkeit bedingen, sind bis heute weitgehend unbekannt. Lediglich bei den Gattungen Russula und Lactarius weiß man, daß sogenannte Sesquiterpene, die beim Kochen zerstört werden, die Giftigkeit bedingen. Außerdem sollen bei vielen roh giftigen Pilzarten hitzelabile Hämolysine beteiligt sein (Bresinsky u. Besl 1985).
Bei kurzem Erhitzen könnten die hitzeunbeständigen Toxine möglicherweise noch nicht vollständig zerstört worden sein.

2. Cetto (1987) weist darauf hin, daß Fruchtkörper der Nebelkappe nicht selten auf dem Hut wollige weiße Flecken aufweisen, die anzeigen, daß das Fleisch mit dem Myzel von Volvariella surrecta (Parasitischer Scheidling) infiziert ist. "Es scheint, daß dieses Myzel den Pilz giftig macht und nach dem Pilzgenuß zu Vergiftungserscheinungen führt".
Auf solche Volvariella-Infektionen ist beim Sammeln von Nebelkappen also generell zu achten. Oft führen solche Infektionen auch zu deutlichen Mißbildungen des Wirtspilzes. Es wäre interessant zu wissen, wie häufig Volvariella surrecta bei uns in Deutschland auftritt.

3. Verwirrend wird die Geschichte, wenn man bei Roth, Frank und Kormann (1990) liest: " Er ist roh giftig und enthält hitzebeständige, giftige Substanzen, die Störungen im Magen-Darm-Trakt hervorrufen". Wenn der Pilz hitzebeständige Toxine enthält, müßte er zu den Giftpilzen gerechnet werden und dürfte bei Pilzberatungen niemals für die Küche freigegeben werden. Doch es ist zu vermuten, daß hier ein Versehen der Autoren vorliegt und hitzeunbeständige Toxine gemeint sind. 

Wie auch immer, über die Genießbarkeit der Nebelkappe wird man in Pilzkennerkreisen sicherlich auch weiterhin kontrovers diskutieren. Bei meinen Pilzberatungen weise ich jedoch stets darauf hin, die Nebelkappe abzukochen (Kochwasser weggießen!), ausreichend lange zu schmoren (wie beim Dunklen Hallimasch Armillaria ostoyae) und nach Möglichkeit nicht als Reingericht zu essen. 

Literatur:
Bresinsky, A. und H. Besl (1985): Giftpilze. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH  Stuttgart.
Cetto, B. (1987): Enzyklopädie der Pilze. Band 2. BLV Verlagsgesellschaft München, Wien, Zürich.
Roth, F., Frank, H. und K. Kormann (1990): Giftpilze-Pilzgifte. Ecomed Verlagsgesellschaft mbH Landsberg.

Tintling weitere Trichterlinge (Clitocybe)


Die hier vorgestellen Bücher sind von Lutz Roth, Hanns Frank, Kurt Kormann, Bruno Cetto, Meinhard Moser,
Andreas Bresinsky, Helmut Besl, Jiri Baier und Volkbert Kell.