Satanspilz, Satansröhrling Boletus_satanas

Satanspilz, Satansröhrling Boletus satanas

Evaluierung und langfristiger Vergleich von Pilzvorkommen

Gert Goldhahn, Plauen, Vogtland

Wohl so manch einer hat noch die Erinnerungen seiner Eltern oder Großeltern im Ohr, 
die von nahezu sagenhaften Pilzfunden berichteten
aus Zeiten als man die „Schwamme noch mit der Sense mähen“  konnte.

Um so enttäuschter ist man dann, wenn bei einem neuerlichen Versuch wieder nur wenig oder gar nichts gefunden wurde.
Dennoch, und Kenner werden dies bestätigen, gibt es auch in unserer Zeit noch Gegenden, wo man die geliebten Pilze zwar nicht „mit der Sense sammeln“, aber doch ganz ansehnliche Funde machen kann. Man muß eben nur wissen wie und insbesondere auch wo! Trotzdem bleibt die doch  nicht  gänzlich von der Hand zu weisende Vorahnung, daß es vielleicht früher doch viel mehr zu finden gab, als sich ein Sammler heute zu träumen vermag.
    
Wie steht es nun mit dem Waldpilzvorkommen heutzutage?
Leider gibt es keine langfristigen Aufzeichnungen, wie etwa beim Wetter. Überhaupt stellt sich die Frage einer sinnvollen Einschätzung und Bewertung von Pilzvorkommen.m wesentlichen gibt es dazu drei Möglichkeiten:
1.: Das Wiegen der Funde, am besten der Trockenmasse;
hierbei ergibt sich bei Berücksichtigung der Sammelzeit eine eine vergleichbare Größe (g/h oder kg/h)
2.: Das Zählen der gefundenen Fruchtkörper einer Art,
bei Berücksichtigung der Sammelzeit  ergibt sich eine Vergleichsgröße Anzahl/Stunde
3.:  Das Zählen der in einem Sammelgebiet gefundenen Arten, z.B. Röhrlingsarten, Tintlingsarten usw.

Während das sortenreine Wiegen der Funde doch aufwendig ist,  ist das Zählen der Fruchtkörper bzw. der gefundenen Arten doch leichter zu bewerkstelligen. Alle Methoden sind nur dann sinnvoll, wenn ein möglichst großes Gebiet erfaßt wird.
Die Ergebnisse werden aber zum Teil durch den Sammler selbst beeinflusst:
Jeder Pilzfreund weiß, wie schnell man einen Pilz oder sogar eine ganze Gruppe übersieht.
So wäre es wichtig, möglichst die Resultate mehrerer Sammler zusammenzufassen.
   
Ob und wieweit sich bestimmte langfristige Vergleiche und Einschätzungen  des Pilzaufkommens ermitteln lassen, 
wurde für einen längeren Zeitraum durch das Auswiegen der Sammelerträge pro Stunde Sammelzeit und das Zählen der gefundenen Röhrlingsarten überprüft. Dazu war jeder Fund von Röhrlingen, mit Ausnahme des ungenießbaren Gallenröhrlings Tylopilus felleus und des im Sammelgebiet nicht gefundenen Satanspilzes Boletus satanas, geputzt, anschließend genau gewogen worden. Anschließend wurde das Ergebnis durch die Sammelzeit (von Eintritt in den Wald bis Sammelende) dividiert. Die dargestellten Ergebnisse beziehen sich, da die Pilze weiter verarbeitet wurden, auf die gewogenen frischen Pilze und nicht auf die exakte Bestimmung der Trockenmasse. Die Ermittlung der Trockenmasse empfiehlt sich besonders, wenn die Pilze ohnehin getrocknet werden müssen.  Zur Bestimmung des Auftretens der einzelnen Arten war jede gefundene Röhrlingsart notiert worden,
auch wenn die Pilze selbst nicht gesammelt wurden.

Beim Sammelgebiet handelt es sich um eine typische vogtländische Mittelgebirgslandschaft
in etwa 650 bis 750  m Höhe im Übergangsbereich zwischen Erzgebirge und Fichtelgebirge südlich von Bad Brambach,
also der Südwestspitze des Freistaates Sachsen. Der Wald besteht zumeist aus Fichten und Kiefern, zum Teil Lärchen, aber auch Birken und vereinzelt Buchen. Nicht zu vergessen ist der typische Vertreter dieser Landschaft, der „Vugelbeerbaum (Eberesche). Der Waldboden ist oftmals mit Heide (Erika und Schneeheide) oder Beerkraut (Blaubeere und Preiselbeere) bedeckt. Grasbedeckung kommt nur gelegentlich vor.

Trägt man die gewogenen Fundergebnisse zusammen und macht sie vergleichbar,
indem man sie z.B. über die einzelnen Wochen eines Jahres darstellt (Kalenderwochen),
so erhält man zum Teil bemerkenswerte Resultate.
Bild 1 zeigt die Funde aller essbaren Röhrlinge im Verlauf eines Jahres für den Zeitraum 1985 bis 1996, Bild 2 im Vergleich dazu die gefundenen Arten von Röhrlingen. Jeweils dazu ist das letzte Jahr 1996 gesondert dargestellt.
Beide Diagramme verlaufen fast gleich. Die ersten Röhrlinge treten zumeist in der 22. bis 23. Woche auf, das Pilzjahr endet dann oft noch vor der 48. Woche mit den ersten starken Frösten, die für die genannte Höhenlage nicht ungewöhnlich sind.
Das Maximum der Erträge liegt jeweils im Zeitraum der 38. bis 41. Woche, d.h. Ende September bis Anfang Oktober.
Dies ist so auch für andere Gegenden festgestellt worden. Der nicht dargestellte Maximalwert in zwei Sammelstunden wurde in der 36. Woche 1986 mit 7,01 kg Röhrlingen pro Stunde gefunden, ein Wert, der selbst unsere Altvorderen beeindrucken sollte.

Erstaunlich ist ein kleines Minimum für das Auftreten von Röhrlingen
zumeist ab der 29. Bis zur 32. Woche. Dies war in fast allen der Sammeljahre festzustellen und trat nicht nur bei Röhrlingen, sondern zumeist auch bei anderen Arten auf. Im genannten Zeitraum Mitte August gibt es oftmals mehrwöchige trockene Perioden, die in extremen Jahren zu einem völligen Ruhen das Wachstums führen können. Der Wald ist sprichwörtlich wie leer gefegt.

Im relativ kühlen Jahr 1996 war für alle Röhrlingsarten besonders im Frühjahr ein geringerer Ertrag im Vergleich zu anderen Jahren festzustellen. Nach einem verspäteten Start infolge des noch lange gefrorenen Bodens kam die Ausbildung von Fruchtkörpern nur langsam in Schwung. Sie erreichte etwa die Mittelwerte des letzten Jahrzehntes,
mehr aber auch nicht, bevor ein zu kalter Herbst das Wachstum wieder zum Stillstand brachte.
Deutlich ist aus den Bildern 1 und 2 ersichtlich, daß trotz des starken Auftretens relativ vieler Röhrlingsarten
in der Mitte des Jahres dies sich nicht in einem ebenso intensiven Auftreten von Fruchtkörpern äußerte.

Interessante Resultate findet man, wenn man die Pilzarten einzeln betrachtet.
Deutlich zeigt sich in den Bildern 3 bis 6 ein für jede Art typischer Verlauf in Abhängigkeit von den Jahreszeiten.
Dieser ist für jede Art spezifisch und ändert sich mit den Jahren nur wenig.

Ein typischer Vertreter des Frühjahres ist der Flockenstielige Hexenröhrling Boletus erythropus,
der aber auch in den anderen Monaten zu finden ist, allerdings mit etwas weniger Erfolg (Bild 3).
Ganz anders ist das Auftreten des Lärchenröhrlings Suillus grevillei.
Dieser tritt zumeist schubartig auf und erreicht sein Maximum zumeist erst in der 36. Woche (Bild 4).

Der in Bild 5 dargestellte Maronenröhrling Boletus badius ist, obwohl er in vielen Dingen dem Hexenpilz sehr ähnelt, ein typischer Herbstpilz, der zwar auch im Frühjahr schon vereinzelt zu finden ist, seine Hauptverbreitungszeit aber erst im September oder Oktober erreicht und oft bis zu den ersten Frösten durchaus ergiebig zu finden ist.
Auch in den Bildern 3 bis 5 ist das für die Röhrlingsarten typische Auftreten eines Minimums
in der 31. bis 33. Kalenderwoche zu sehen.

Bild 6 zeigt als einen der wenigen untersuchten Vertreter, die nicht aus der Familie der Röhrlinge stammen,
den Pfifferling Cantharellus cibarius.
Er ist im Sammelgebiet ein typischer Pilz des Frühjahres und Sommers, aber auch bis in den Spätherbst zu finden.
Die aus den Bildern 1 bis 6 ersichtlichen artenspezifischen Unterschiede des Auftretens der einzelnen Arten über das Pilzjahr sollten für den weniger versierten Sammler zu der Schlußfolgerung führen, daß es wichtig ist, wenn man auf bestimmte Pilzarten Jagd machen will, unbedingt auch auf die Kalenderwoche zu achten.

Interessant, insbesondere für den Umweltschutz, sind auch Aufzeichnungen der Sammelergebnisse über eine längere Zeit.
Bild 7 zeigt als Beispiel das Auftreten aller essbaren Röhrlingsarten, des Maronenröhrlings, der Rotkappe und des Lärchenröhrlings in den letzten 11 Jahren. Dabei sind signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Jahren feststellbar, die u.a. auch mit kälteren bzw. wärmeren klimatischen Bedingungen zu tun haben. So war z.B. beim Maronenröhrling in den Jahren 1991 und 1992 ein Minimum der Erträge erkennbar, beim Lärchenröhrling traten dagegen zur gleichen Zeit relativ gute Werte bedingt durch einen feuchten Frühsommer auf.
Da sich hieraus signifikante Hinweise über die weitere Entwicklung (positiv oder negativ) einzelner Arten bis hin zu Schlußfolgerungen für den Umweltschutz ableiten lassen, sollte das Auftreten von Pilzen insbesondere über einen längeren Zeitraum ist noch weiter untersucht werden. Dabei wäre es wünschenswert, in zukünftige Betrachtungen auch meteorologische Bedingungen, wie wöchentlicher Niederschlag, mittlere Tages- und Nachttemperatur, Bodentemperaturen usw. mit einzubringen.
Neben den genannten meteorologischen Faktoren spielen aber auch andere Dinge wie z.B. der Zustand des Bodens
(sauer, neutral oder basisch), Gehalte an bestimmten Mineralien usw. eine Rolle.

Die oftmals glaubhaft versicherte Abhängigkeit des Auftretens von Pilzen von „außerirdischen“ Faktoren,
wie etwa der Mondphase konnte für keine der untersuchten Arten ermittelt werden.
Ein Einfluß der Sonne ist aber zumindest über die Temperatur nachgewiesen, weitere Einflußgrößen
wie z.B. die Sonnenfleckenaktivität wären denkbar und sind noch zu untersuchen.

Wichtig wären auch Vergleiche mit anderen Sammelgebieten, insbesondere über einen längeren Zeitraum. Trotzdem wird man bei allen wissenschaftlichen Betrachtungen wahrscheinlich nie solch exakte Voraussagen für das Pilzwachstum haben, wie wir sie z.B. heute für das Wetter kennen. Für den Umweltschutz wären sie aber von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

 Tintling