Leserbrief, von J. Heister 47804 Krefeld,
den 14. 01. 04. Gripswaldstr. 13 a Sehr geehrte Frau Montag, vorweg - auch wenn das neue Jahr bereits die ersten grauen Haare hat - alle guten Wünsche für den Rest von 2004 und vor allem weiterhin Erfolg wie bisher. Ihr Engagement, Ihr Fleiß und die Effizienz trotz allem familiären und beruflichen Tun imponieren mir immer wieder. Ich lobte Sie bereits früher und tue das auch gerne bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Doch nun machen Sie mir Kummer, und zwar mit dem, was Sie da im Interview mit Herrn H. Andersson von sich gaben. Ehrlich gesagt, der gute Herr A. hat mir leid getan, hat er doch - wohl leider vergeblich - mit wohlgesetzten "Worten und inhaltlich bestens versucht, Sie von unklugem Tun abzuhalten und Sie auf den Weg der Vernunft zurückzuholen. Welcher Teufel hat Sie nur geritten? Was war los mit der von mir immer gelobten und klugen Frau Montag? Vielleicht - so hoffe ich - hatten Sie nur einen schlechten Tag, wie ihn jeder mal hat. Nichts gegen Ihre Ansichten, Ihre Meinung, damit wir uns nicht falsch verstehen. Auf die haben Sie, wie jeder Mensch, ein Recht. Selbstverständlich kann man unterschiedlicher Meinung sein und darüber sachlich streiten. Und es muss überhaupt und nicht zwingend zu einem Konsens kommen. Fairneß gebietet in solchen Fällen Respekt und Toleranz. Nein, was mich so erheblich stört und warum ich Ihnen diese Zeilen schreibe, ist die Tatsache, dass Sie mit Ihren Äußerungen eine große Zahl von Pilzlern verunsichern. Sie hätten mit Herrn A. diese Diskussion jederzeit privat führen können. Nur hätten Sie Ihre Meinung im "Tintling" nicht öffentlich machen sollen. Es ist doch so, dass die allermeisten Leser des Tintling sicher nicht als Mykologen einzuordnen sind. Ihnen erwächst durch die Veröffentlichung keine Gefahr. Sie haben ausreichendes Wissen um die Dinge und ordnen es gewiss richtig ein. Alle übrigen Leser jedoch und die große Zahl der Pilzinteressierten im Umfeld jener Tintlingsleser, die von ihnen Informationen erhalten, werden verunsichert. Sie lesen keine Fachzeitschriften oder gar wissenschaftliche Abhandlungen. Ihre Informationen bekommen sie von "nebenan". Ihr Wissen stammt vom "Hörensagen". Sie haben kaum eine eigene Meinung. Sie hängen sich mit ihrer Meinung an den, dessen Wissen am überzeugendsten ankommt. Und jene große Zahl, liebe Frau Montag, verunsichern Sie direkt und indirekt. Und dann ist da noch der Punkt Verantwortung. Haben wir Insider, eben wir Pilzberater nicht auch eine sehr hohe Verantwortung übernommen mit unseren Entscheidungen: essbar - nicht essbar, giftig -nicht giftig? Nicht immer aber lässt sich das bekanntermaßen so leicht trennen. Da sind die Zweifelhaften, die Problemhaften, wie es Herr A. nennt (ich finde diesen Ausdruck sehr gut. Problempilze könnte man sie zusammenfassend nennen) Warum, um Himmelswillen, wollen Sie denn den Menschen beibringen, dass bei entsprechender Kochakrobatik einerseits, beste Gesundheit, Vitalität und Abwehrstärke vorausgesetzt, Fliegenpilze (Amanita muscaria) oder Lorcheln (Gyromitra esculenta) essbar sind? Und weshalb gehen Sie beim Kahlen Krempling gar soweit, zu behaupten, es gelte als unbestrittene Tatsache, dass ein einziger Todesfall die Geschichte vom tödlich giftigen Kahlen Krempling ausgelöst hätte. Sie verharmlosen jenen Todesfall noch, weil unglückliche Begleitumstände dazu geführt hätten und behaupten, "...dass seither namhafte Forscher verzweifelt nach weiteren Todesfällen suchen und einfach nicht fündig würden." Das geht nun doch entschieden zu weit, liebe Frau Montag. Ich lege Ihnen speziell zu diesem Thema (nur!) eine Auswahl von Abhandlungen jener namhaften Forscher dem Schreiben bei, die Todesfälle, Erkrankungen oder Störungen im Verdauungstrakt beschreiben. Eines tritt bei alldem zutage: der Kahle Krempling ist, vorsichtig formuliert, wenigstens ein Problempilz. Ich frage Sie erneut, was juckt Sie denn, den vielen Menschen draußen zuzurufen, seht hier, ich esse auch Kahle Kremplinge und alles, was die Literatur da bringt, ist übertrieben, der Kahle Krempling ist nicht tödlich giftig. Einfach unverantwortlich halte ich Ihre Formulierung:"Ich denke mir, dass viel weniger Patienten in die Klinik kommen würden, wenn die von den Pilzen ausgehenden Gefahren nicht so übertrieben gefährlich dargestellt würden. Dann würde so mancher Patient einfach zur Kenntnis nehmen, dass etwas Unverträgliches oder Giftiges den Körper wieder verlassen will und ihm das zubilligen". Da haben eine große Zahl von verantwortlichen Pilzberatern und Vortragenden in Pilzkursen jahrelang Aufklärungsarbeit geleistet und den Menschen beigebracht, die Finger vom Kahlen Krempling zu lassen, weil es zu ernsthaften Problemen kommen kann, auch wenn scheinbar jahrelange Verträglichkeit das Gegenteil signalisiert. Wer weiß denn schon von sich, ob er zu den "Resistenten" zählt oder nicht? Ist es nicht sinnvoller, ihn davon abzuhalten? Schließlich hat Herr A. es sich sicher nicht aus der Luft gegriffen, wenn er sagt: "Der Kahle Krempling nimmt jedes Jahr einen Spitzenplatz in meiner persönlichen Vergiftungsstatistik ein." Das bestätigt wohl auch die beigelegte Literatur. Zum Thema Frühjahrslorchel wäre es sicher vernünftiger, den Menschen abzuraten, sie als Speisepilz einzuordnen. Wer will denn die Verantwortung übernehmen, wenn man ihnen die Koch -und Trocknungsakrobatik erläutert und dem einen oder anderen dabei Fehler unterlaufen? Mir ist jedenfalls wohler, und ich fühle mich entlastet, wenn ich den Menschen sage, lasst sie stehen, sucht euch unproblematischere Pilze. Was haben Sie denn davon, wenn nun alle lesen; "Lasst diese feinen Schlauchpilze für mich stehen oder schickt sie mir gut getrocknet zu". Finden Sie denn ernsthaft solches Vorgehen sinnvoll und verantwortungsbewusst? . Und schließlich, warum wollen Sie denn den Menschen die Botschaft vermitteln, dass Sie beim Verzehr von Fliegenpilzen keine Rauschwirkung festgestellt haben und auch sonstige Symptome völlig ausblieben? Schließlich verbreitet sich draußen im Land die Kunde, dass der Fliegenpilz gar nicht so giftig ist, wie man landläufig meint und hört. Schließlich kann man es doch schwarz auf weiß nachlesen in einer anerkannten Zeitschrift namens "Tintling". Vielleicht gibt es dann bald zahlreiche Nachahmer, die es Ihnen gleich tun wollen und die Krankenhäuser "partizipieren" ebenso wie die Krankenkassen an den Folgen solchen Unsinns. Liebe Frau Montag, ich hoffe doch sehr, Sie überdenken Ihre Vorgehensweise noch einmal. Wie gesagt, in privater Runde können Sie das alles diskutieren. Sie sollten es vernünftiger Weise nur nicht in einem so renommierten Fachblatt wie dem "Tintling" der breiten Öffentlichkeit direkt oder indirekt zugänglich machen. In unserer letzten APN-Runde am 06.01.04. haben wir dieses Thema diskutiert. Ich darf Ihnen sagen, es herrschte allgemeines Kopfschütteln und Einigkeit darüber, dass Ihr Verhalten nicht sinnvoll ist. Nichts für ungut, liebe Frau Montag, ich schätze weiterhin den "Tintling" und Ihre tüchtige Herausgeberin. Abhandlungen zu dem Thema Pilzvergiftungen im Allgemeinen und Vergiftungen bzw. Erkrankungen im Zusammenhang mit dem Genuss des Kahlen Kremplings (Paxillus involutus) 1. Vergiftungen durch den Kahlen Krempling (Paxillus involutus). Eine genießbare Pilzart? Priv. Doz. Dr. F. Bschor und Dr. H.J. Mallach Institut für gerichtliche und soziale Medizin der freien Universität Berlin, Archiv für Toxicologie 2o 82 95 (1963) 2. Akutes Nierenversagen durch Immunhämolytische Anämie nach Genuss des Kahlen Kremplings (Paxillus involutus). Dr. J. Schmidt, Dr. W. Hartmann, A. Würstlin, Prof. Dr. H. Deiche, Departement innere Medizin, Mediz. Hochschule, Krankenhaus Oststadt Hannover. - Deutsche Medizinische Wochenschrift Nr. 28 9. 7. 1971 3. Severe Hemolysis Caused by Antibodies Against the Mushroom Paxillus involutus and Its Therapy by Plasma Exchange. Mit Übersetzung ins Deutsche von Dr. Th. Münzmay. Dr. M. Winkelmann, Prof. Dr. B. Grabensee, Priv Doz. Dr. Stängel, I. Schedel. Mediz. Klinik der Uni Düsseldorf und Med. Hochschule Hannover. Klinische Wochenschrift (1986) 64:935-938 3a. Tödlich verlaufene immunhämolytische Anämie nach Genuss des Kahlen Kremplings (Paxillus involutus) Dr. M. Winkelmann, Prof. Dr. B. Grabensee, Prof. Dr F. Borchard der Uni Düsseldorf und Priv. Doz. Dr. W. Stängel, der Mediz. Hoch schule Hannover Deutsche Mediz. Wochenschrift 1982 Jg. Nr. 31/32 s. 119o-1194 4. Diagnose und Therapie der Pilzvergiftungen - Priv. Doz. Th. Zilker (Dr.) Klinikum Rechts der Isar, München Praxis und Klinik 2/87 5. Neue Vergiftungsfälle durch Paxillus involutus. Priv. Doz. Dr. F. Bschor, J. Kohlmeyer, Dr. H.J. Mallach der freien Uni Berlin. Z. Pilzkunde 29 (1963) 1-11 6. Akute immunhämolytische Anämie nach Genuss des Kahlen Kremplings. Prof. Dr. H. Deicher, Priv. Doz. Dr. W. Stängel Hochsch. Hannover Verh. Dtsch. Ges. Inn. Med. 1977 Apr. 17-21 (83: 1606-1609) 7. Hämolyse bei Pilzvergiftungen. Fakten und Hypothesen. - Dr. R. Flammer St. Gallen Spezialarzt für innere Medizin Schweiz. Mediz. Wochenschrift 113/ 42 (1983) 8. Das Paxillus-Syndrom: Immunhämolyse nach wiederholtem Pilzgenuss Dr. R. Flammer, St. Gallen Spezialarzt für innere Medizin Schweiz, Rundschau Med. (Praxis) 74 Nr. 37 (1985) 9. So starb Julius Schäffer . Ein Bericht von seiner Frau Liesl Schäffer. Veröffentlicht in "Zeitschrift für Pilzkunde" Bd. 33 H. 3/4 nach Pilzhausen . |