Kapitel 22 Juni 1999 Etwa zur gleichen Zeit war in Ulrike´s Leben wieder etwas Gelassenheit eingekehrt. Sie und Selina hatten den ersten fürchterlichen Trennungsschmerz überwunden und sich im Dachgeschoß ihres fast hundert Kilometer entfernten Elternhauses eine gemütliche kleine Wohnung eingerichtet. Voller Wohlwollen und Zuversicht schaute sie von ihrer Büroecke herunter auf ihre Tochter, die quieksend in der Schaukel saß und von ihrem Opa immer wieder angeschubst wurde. Wenn Jochen und Ulrike Schönbaum nicht gewesen wären, so dachte sie damals wie heute, wäre die große Veränderung in ihrem Leben kaum zu schaffen gewesen. Ohne ihre ebenso verständnisvoll-diskreten wie liebevollen Eltern, die sich bei Bedarf ihrer kleinen Enkelin annahmen, wäre ihr auch der Wiedereinstieg in den Beruf nicht so rasch geglückt. Wo hätte sie auch das Kleinkind lassen sollen. Sicher hätte sie gegen ihren Ehemann Unterhaltsansprüche durchsetzen können, aber das widerstrebte ihr doch sehr. Nein, ausnutzen wollte sie Karljohan nicht, wenn es andere Möglichkeiten gab. Schließlich hatte sie ihn ja nicht verlassen, weil sich Haß und Langeweile in ihre Ehe eingeschlichen hatten, sondern weil eine große Lebenslüge ihr Glück zerstört hatte. Ulrike wünschte Karljohan nichts Böses und bedauerte, daß alles so gekommen war. Sie wüßte allerdings auch heute, fast ein halbes Jahr nach ihrer Trennung, keine Alternative, die eine Lösung ihrer Probleme versprochen hätte. |