Kultivierung des Austernseitlings in traditionellen Tonkrügen

© David Abate, Universität Addis Abeba, PO Box 1176, Ethiopia.  Übersetzung von Wolfgang Herzig, Apolda.

Austernseitling Pleurotus ostreatus.html

Austernseitling Pleurotus ostreatus. Foto: Peter Stenzel

Wie in vielen Ländern Afrikas werden Wildpilze (amharisch Enguday) in vielen Teilen von Äthiopien gesammelt und konsumiert, aber diese Gelegenheit ist auf ein paar Monate der Regensaison beschränkt. Darüber hinaus sind kultivierte Pilze entweder nicht auf dem Markt erhältlich oder für die meisten Familien viel zu teuer. Im Verlaufe eines Experimentes der Kultivierung auf landwirtschaftlichen Abfallprodukten, die in Ethiopien anfallen, wurde herausgefunden, dass traditionelle Tonkrüge (amharisch Ensra) verwendet werden können, um Pilze innerhalb einer Familie zu produzieren. Verschiedene Größen dieser Krüge werden für den Transport und die Aufbewahrung von Wasser verwendet, um traditionelle Getränke zu brauen, Körner zu lagern usw. und sind sowohl in ländlichen als auch in städtischen Familien ein gebräuchlicher Haushaltsgegenstand.

Sie werden von traditionellen Töpfern hergestellt und sind relativ billig auf den Märkten erhältlich. Während eines früheren Versuches (Abate 1995) wurde entdeckt, dass Baumwollabfall, Eukalyptusholzspäne (E. camaldulensis und E. globulus sind die verbreitetsten Arten), Tefstroh (Eragrostis tef) und Gemische aus diesen Substanzen, ergänzt mit 1% Weizenkleie, als optimales Substrat erachtet wird, um darauf Austernseitlinge (Pleurotus ostreatus (Jacq.:Fr.) Kummer) zu züchten. Diese drei landwirtschaftlichen Restprodukte sind einige der am leichtesten erhältlichen zellulosereichen Materialien in Afrika, auf welchen die Kultivierung des Austernseitling praktiziert werden könnte. Fünf Krüge von jeweils 30 l Rauminhalt wurden auf einem der freien Märkte in Addis Abeba gekauft. In jeden wurde eine Gesamtanzahl von 9 Löchern mit durchschnittlich 5 cm Durchmesser sorgfältig hineingebohrt, bevor das Substrat eingefüllt wurde.

Die Substanzen Eukalyptusholzspäne und Baumwollabfall wurden gekauft und an einem trockenen Platz vor dem Gebrauch gelagert. Baumwollabfall und andere zellulosereichen Substrate sind gut geeignet, um den Austernseitling zu kultivieren. Für den Versuch wurde das Impfmaterial (Inokulum) vorbereitet, indem die Pilzkultur auf pasteurisierten Eukalyptusholzspänen und Weizenkleie im Verhältnis 1:1 angesetzt und in Plastikbeuteln abgefüllt wurde. Die Plastiktüten wurden bei Zimmertemperatur aufbewahrt, bis die Invasion des Myzeliums im Substrat erkennbar wurde. Etwa 7 kg der Substratmischung Eukalyptusholzspäne und Baumwollabfall (1:1), ergänzt mit 1 % Weizenkleie, wurde gewässert und drei Stunden stehen gelassen. Die feuchte Substratmischung wurde dann in die Krüge eingebracht und in einem Ofen etwa eine Stunde erhitzt. Das pasteurisiert das Substrat und tötet schnellwachsende Schimmel ab. Das ausgetretene Wasser wurde ausgegossen und nach dem Abkühlen wurde das Substrat mit etwa 5% Impfmaterial versetzt.

Die Löcher der Krüge wurden dann mit Tuchfetzen verstopft. Die beimpften Steintöpfe wurden in einem Versuchsgebäude untergebracht, das vorher speziell für die Pilzforschung bei der Universität Addis Abeba errichtet wurde. Das Pilzhaus, aus einheimischen Pflanzenmaterialien erbaut, hatte eine gute Belüftung und ließ kein direktes Sonnenlicht hinein. Die durchschnittliche Temperatur während der Experimentalperiode betrug etwa 20 C. Die relative Leuftfeuchtigkeit im Steintopfmikroklima lag bei 80-90%, während die RL der Umgebung nur 60% betrug. Niedrige Luftfeuchte ist ein einschränkender Faktor für die Pilzproduktion bei offenen Pilzbeeten in trockenen Regionen und diese wurde durch den Gebrauch der Tonkrüge wesentlich erhöht. Die Löcher der "Ensra" sind wichtig für die Belüftung und als Austrittsstellen für die Pilzfruchtkörper. Nach 15 Tagen, als die Myceldurchwucherung sichtbar wurde, wurden alle Stopfen aus den Löchern entfernt. Die Töpfe wurden gelegentlich bewässert, um die Substratmischung feucht zu halten.

Die ersten Fruchtkörper erschienen 30 Tage nach der Impfung und begannen aus den Löchern herauszuwachsen. Reife Fruchtkörper entwickeln sich in der Nähe der Basis schneller als in den oberen Löchern. Nur manchmal erscheinen die Fruchtkörper auch in der Öffnung der Krüge. Die frischen Fruchtkörper wurden geerntet und gewogen, als sie reif waren. Die Produktion setzte nach 5 Tagen erneut ein, nachdem die erste Welle abgeerntet war. Die Gesamtfruktifikationsperiode betrug 40 Tage vom Datum der Impfung an gerechnet. Der grösste geerntete Fruchtkörper war 11x19 cm groß und wog 104 g. Generell wurde die Grösse und das Gewicht der Fruchtkörper höher eingeschätzt, als wenn sie in offenen Beeten desselben Substrates gezüchtet worden wären.

Pro Krug wurde ein Gesamtertrag von 2,5 kg an Austernseitlingen erreicht, was etwa 0,36 kg Frischgewicht pro kg Trockensubstrat entspricht. Wenn eine Familie ein paar Ensra hat und unterschiedliche Impfzeiten anwendet, ist es möglich, das ganze Jahr hindurch Frischpilze zu bekommen.
Die Pilze enthalten etwa 30% Proteine auf das Trockengewicht bezogen und könnten wegen ihres Reichtums an Vitaminen als krankheitsvorbeugende Nahrung eingeschätzt werden (Tseng & Luong 1984). Sie enthalten ebenso alle die wichtigen Aminosäuren, die von erwachsenen Menschen benötigt werden.

Es ist ein weit verbreiteter Brauch in Afrika, dass Pilze getrocknet werden. dazu hängt man sie in den Rauch des Hüttenfeuers oder legt sie für 2-3 Tage in die Sonne. Der Austernseitling hat einen guten Geschmack und könnte sehr wohl als eine Komponente in der reichhaltigen traditionellen äthiopischen Küche akzeptiert werden. 1988 wurde durch Morris bemerkt, dass viele Leute in Afrika eine weit engere Assoziation zwischen Pilzen und Fleisch haben als zwischen Pilzen und Pflanzen (Gemüse).
Dieses einfache Verfahren, um Pilze auf wohlfeilen landwirtschaftlichen Restprodukten zu ziehen, kann auch von einzelnen Personen (besonders Frauen) praktiziert werden, um den Proteinbedarf der Familie zu ergänzen.

Das Problem des Verfahrenstransfers der Pilzkultivierung von industrialisierten zu Entwicklungsländern wurde von Zadradzil 1988 erörtert. Der Gebrauch von leicht erhältlichen landwirtschaftlichen Restprodukten, auf denen Pilze wachsen können, die Entwicklung einer einfachen Verfahrensweise, die Material benötigt, das in der Gemeinschaft erhältlich ist und ein Versorgungssystem mit dem Impfmaterial für Farmer durch Weiterentwicklung der Landwirtschaft könnten die Übertragung der Technologie effektiv machen.

Die Kultivierung der Austernseitlinge in traditionellen Tonkrügen könnte als ein Beitrag zu diesem Vorhaben angesehen werden. Das Projekt wurde unterstützt durch die äthiopische wissenschaftliche und technische Kommission in Addis Abeba.


Verfasser dieser Pilzbücher sind Dagmar Stein, Siegfried Stein, Jolanda Engelbrecht, Wernhard Einar Schmidt, Anna DelConte und Ursula Calis
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