Rezension eines Pilzbuches: Hans Otto Schwantes: Biologie der Pilze. Eine Einführung in die angewandte Mykologie; 60 Abb., 29 Tab., Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 1996. Die Einführung in die angewandte Mykologie von Hans Schwantes macht mit der Vielfalt pilzlicher Formen und ihrer Organisation und ökologischer Funktion vertraut. „Einführung“ aber auch “Wissensvertiefung“ will das Lehrbuch sein, so der Autor. Hans Otto Schwantes war zuletzt Professor an der Justus-Liebig-Universität Gießen, Leiter der Abteilung für Ökologie der Mikroorganismen am Institut für Pflanzenökologie der Universität Gießen; Hauptgebiete: Mykologie und Phykologie. Ausgehend von den Strukturen des Thallus, der Vermehrung und Fortpflanzung, werden die Lebensansprüche der Pilze und sich daraus ergebende Möglichkeiten für Pilzkulturen sowie der Sekundärstoffwechsel der Pilze besprochen. Nicht zuletzt dadurch wird das Verständnis für die Lebensweise der Pilze und für die Beziehungen zwischen Pilzen und anderen Organismen geweckt. Denn neben der ökologischen Bedeutung werden auch ihre Leistungen aufgezeigt, die sich der Mensch in vielen seiner Lebensbereiche nutzbar macht. Ein eigenes Kapitel befaßt sich mit Pilzen als Krankheitserreger bei Menschen, Tieren und Pflanzen. Eine Übersicht über das System der Pilze beschließt als eigenes Kapitel das Kompendium vom „Reich der Pilze“. Das Pilzbuch gliedert sich in die Kapitel: „Einführung in die Biologie der Pilze“, „Entwicklung der Mykologie“, „Der Thallus“, “Vermehrung und Fortpflanzung der Pilze“ und „Die Lebensansprüche der Pilze“. Der anatomische Teil ist geschickt aufgeteilt in das Strukturell-Habituelle und die Reproduktionsfunktion des Organismus. Aus dem funktional-physiologischen Aspekt ist ebenso sinvoll das Kapitel „Lebensansprüche der Pilze“ und der „Sekundärstoffwechsel“ herausgegliedert. Dem Anspruch, eine Einführung zu sein, wird der Autor dadurch gerecht, daß er alle Gesichtspunkte der Mykologie abdeckt, damit alle Disziplinen der Biologie der Pilze berücksichtigt, auch wenn die Physiologie, Biochemie, Molekularbiologie und Genetik „nur kurz und nur so weit einbezogen sind, wie es das Verständnis für die Zusammenhänge erfordert!“ Wissensvertiefend ist das Lehrbuch auch, denn es geht in vielen Details, z.B. im morphologischen, phylogenetischen und fortpflanzungsphysiologischen Bereich in die Tiefe. Schließlich erhebt das Buch auch Anspruch auf die Darstellung der angewandten Mykologie, will also praxisbezogen verstanden werden. Auch diesem Aspekt genügt das Lehrbuch, z.B. durch das ausführlich dargestellte Kapitel “Pilzanbau“ (Pilzzucht und Zuchtpilze). Bei der Darstellung der Belastung durch Schwermetalle und radioaktiven Niederschlag hätte man sich mehr Ausführlichkeit gewünscht, zumal gerade in der Bundesrepublik hierzu weltweit einmalige Erkenntnisse zur Verfügung stehen und der Zugriff für den Autor ein leichtes gewesen wäre. Einen sehr breiten Raum nimmt auch das Kapitel „Sammeln, Zubereiten und Konservieren von Speisepilzen“ ein. Hier werden Hinweise und Ratschläge zu Fragen gegeben, die dem Pilzberater immer wieder gestellt werden. Zwölf Regeln gibt der Autor dem Pilzfreund an die Hand, die der Pilzsammler beachten soll. Bei der Mitteilung der Regel „Fruchtkörper sollte man nicht über dem Erdboden abschneiden, sondern vorsichtig herausdrehen“, kommen Bedenken; hier wäre differenzierter Rat angebracht: Röhrlinge dürfen (und sollten) durchaus geschnitten werden, Lamellenpilze sollten hingegen mit der Stielbasis vorsichtig aus dem Erdreich herausgehebelt werden. Selbst beim vorsichtigen Drehen kann eine vorhandene Scheide im Boden verbleiben und beim Fehlen an der Stielbasis zu erheblichen und u.U. fatalen Fehlinterpretationen und Irrungen führen. Der Hinweis auf Rote Listen für Pilze ist zu allgemein abgefaßt; längst nicht alle Bundesländer haben solche aufgelegt; z.B. fehlt eine solche für Hessen. Hier sind die Gesetze, Verordnungen und Verfügungen der einzelnen Bundesländer (und die des Auslands) sorgfältig zu beachten. Teils gibt es Sammelbegrenzung zeitlicher Art, teils Sammelbeschränkung durch Limitierung der Menge, oder aber es darf nur gesammelt werden für den Eigenbedarf, d.h. das Sammelgut darf nicht in den Verkehr gebracht werden (Hessen).In Baden-Württemberg wiederum gilt eine andere Bestimmung: Hier darf ein kg pro Sammler und Tag für den Eigenverbrauch gesammelt werden. Nach den „Goldenen Regeln für den Pilzsammler“ folgen Kapitel mit Ratschlägen für die Zubereitung und Konservierung der Pilze. Daß das Lehrbuch von Schwantes recht praxisorientiert ist, zeigen auch die Kapitel “Giftpilze und Pilzgifte“, „Nutzen und Schaden durch Pilze“ und „Pilze und Umwelt“. Von allgemeinem Interesse sind die Ausführungen zu: „Schimmelpilze als Lebensmittelverderber“ und Materialzerstörer“, Bekämpfung von Schimmelpilzen“, „Pilze als Erreger von Krankheiten bei Mensch, Tier und Pflanze“, „Fermentationsprozesse und ihre Bedeutung in der Nahrungsmittelchemie“. Kapitel über die geographische Verbreitung der Pilze, Pilzsoziologie und das Reich der Pilze runden das mykologische Kompendium ab. Im systematischen Teil wird ausführlich auf die Problematik phylogenetischer Zuordnung der Pilze eingegangen. Der großen ökologischen Bedeutung der Pilze im Rahmen des Öko-Dreiecks Produzenten-Konsumenten-Reduzenten/Destruenten wegen, ist diesem auch ein eigenes Kapitel in diesem Zusammenhang gewidmet: Pilze und Umwelt. An anderer Stelle wird - aber ebenso sinnvoll eingebettet - der ökologisch bedeutsame Holzabbau durch Pilze dargestellt und insbesondere auch der Wurzelsymbiosen (Mykorrhiza) und Flechten (Symbiose von Pilz und Alge) gedacht, ein Thema, das ja gerade in den vergangenen Jahren durch das „Waldsterben“ und den “Sauren Regen“ erneutes Interesse erlangt hat und auch derzeit recht aktuell ist. Das Pilzbuch wendet sich nicht nur an Biologen, Human- und Veterinärmediziner, sondern auch an Lebensmittelchemiker, Mikrobiologen, Phytopathologen sowie an Land- und Forstwirte. Lehrende und Lernende - Schüler und Studenten heißt es ausdrücklich im Vorwort - haben gleichermaßen ihren Nutzen bei der Lektüre dieser jüngsten ganzheitlichen Darstellung der Pilze. Seit der Publikation von Emil Müller und Wolfgang Löffler (Mykologie, Grundriß für Naturwissenschaftler und Mediziner, Stuttgart 1968) ist im Taschenbuchformat nichts gleichwertiges mehr auf dem Büchermarkt erschienen. Schon deshalb sollte das Pilzbuch von Schwantes in keiner Lehrerbibliothek fehlen, weder privat zu Hause, noch beruflich in der Schule, im Betrieb, im Labor oder in der Bibliothek des Pilzberaters und Pilzsachverständigen. Dr. Peter W. Sattler Mehr Pilzbücher von Hans O. Schwantes zurück zu Tintling 3/96 . zurück zur Jahrgangsübersicht . zurück zum Inhalt des Tintling . nach Pilzhausen . |