Rezension zum Roman "Tödliche Pilze"

von Tjakko Stijve, CH - 1806 St- Légier.
Karin Montag - "Tödliche Pilze"

Dieser unterhaltsame und mit viel Schwung geschriebene Roman - die Autorin selbst redet von einer Erzählung - behandelt eine seltsame Massen-Pilzvergiftung. Auf einem Markt in Schlossbach, einem fiktiven Ort in Deutschland, werden unter der Bezeichnung "Baby- Pfifferlinge" 10 kg junge Exemplare des tödlich giftigen Orangefuchsigen Rauhkopfs (Cortinarius orellanus) in kurzer Zeit verkauft. Als der verhängnisvolle Irrtum bemerkt wird, ist es schon viel zu spät: Bekanntlich dauert es drei bis 17 Tage, bevor die Vergiftungssymptome, vor allem irreversible Nierenschädigungen, auftreten. Als endlich der Zusammenhang zwischen dem Vergiftungs-Syndrom und dem Verspeisen der Pilze anhand einer langsam wachsenden Opferzahl erkannt wird, braucht es lange und intensive Spürarbeit, um herauszufinden, wer diese giftigen Schleierlinge eigentlich verkauft hat. Schliesslich sterben vier der 25 Opfer, und viele erleiden Nierenschädigungen, so dass sie lebenslanger Dialyse oder einer Nierentransplantation bedürfen.
Zu diesem Zeitpunkt ist die Handlung schon weit fortgeschritten, und es bleibt bis zu den letzten Seiten unklar, was wirklich passiert ist. Handelt es sich um einen verhängnisvollen Irrtum eines treuherzigen Pilzlieferanten, oder war es böse Absicht? Um den Liebhabern spannender Kriminalromane einen Gefallen zu tun, werden wir den überraschenden Ausgang nicht verraten. Alle Personen, sowohl die Pilzlieferanten, Marktleute und ihre Familien sowie die mit der Untersuchung beauftragten Behörden werden vorzüglich und mit viel psychologischer Einsicht beschrieben. Eine wirklich faszinierende Figur ist der gefühlskalte, beinharte Händler Eberhard Gierling, der seine Familie, die Verkäufer, die Hilfskräfte und eigentlich auch den Roman völlig dominiert. Seine Gattin Karola ist weniger glaubwürdig, hingegen gibt es eine zweifellos realistische Schilderung des mit der Überwachung des Marktes beauftragten Personals. Das Buch ist nie langweilig, und die Dialoge sind oft voller Humor.
Der Umschlag des Buches informiert uns, dass die Autorin Karin Montag über 20 Jahre als Marktfrau tätig war.
Sie wird bei vielen unserer Leser als die talentierte und dynamische Herausgeberin der populären Pilzzeitschrift Der Tintling bekannt sein. Tödliche Pilze ist offenbar geschrieben, um die recht lückenhafte Situation im Handel mit Wildpilzen an den Pranger zu stellen, denn ein Unglücksfall, wie in diesem Buch beschrieben, ist leider sehr gut möglich. Frau Montag behauptet in ihrem Vorwort: "Es gibt zur Zeit keine Garantie dafür, dass der Verbraucher in Deutschland nur unbedenkliche Wildpilze erwirbt." Tatsächlich gibt es in diesem Land zurzeit keine Instanz, die den Verkauf beliebiger Wildpilze auf Märkten und in Läden überwacht. Um diese Lage zu verbessern, schlägt die Autorin nicht nur vor, das Lebensmittelgesetz in Bezug auf den Wildpilzhandel zu reformieren, sondern auch staatlich anerkannte Pilzsachverständige auszubilden, die Wildpilze auf kulinarische Unbedenklichkeit überprüfen sollen. Ausserdem weist sie darauf hin, dass mehrere von den auf dem Markt zugelassenen Pilzen geschützte und auf der bekannten Roten Liste aufgeführte Arten sind. Das trifft leider nicht nur für Deutschland zu, sondern auch für andere europäische Länder. Auch die schweizerische Liste der auf dem Markt zugelassenen Pilzarten ist in dieser Beziehung etwas erneuerungsbedürftig, denn im Waadtland werden dann und wann relativ seltene Arten wie z. B. der Grösste Saftling (Hygrocybe punicea) angeboten. Die verkauften Mengen sind allerdings klein.
Schliesslich ist Karin Montags Buch ein gefundenes Fressen für Sammler nicht-mykologischer Werke, worin Pilze eine Hauptrolle spielen. Der amerikanische Psychiater R. E. Reinhart, ein begeisterter Sammler dieser Belletristik, hat schon drei Artikel den "Mushrooms in Muraler Mysteries" gewidmet. In vielen Geschichten ist der verhängnisvolle Pilz eine erfundene Art oder der Fliegenpilz, der ja bekanntlich von vielen Laien noch immer für tödlich giftig gehalten wird. In realistischeren Erzählungen spielt der Grüne Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) seine tödliche Rolle. Es gibt sogar Geschichten, worin die Frühjahrslorchel (Gyromitra esculenta) oder der Faltentintling (Coprinus atramentarius), in Kombination mit Alkoholgenuss, die Opfer verursachen. Es wird den Sammler freuen, dass "Tödliche Pilze" der erste Kriminalroman ist, worin Cortinarius orellanus als Übeltäter auftritt.

 eine weitere Besprechung des Romanes Tödliche Pilze von Martin Wagner . zurück zum Tintling