Taugen Pilze zum Giftmord ??
Satanspilz Boletus satanas.
Giftig Foto: Frank Röger
Die meistgestellte aller Fragen an
einen Pilzkundigen lautet schlicht:
"Kann man den essen?"
Mindestens 99% aller
Pilzeinsteiger und Laien
brennt keine andere Sorge so sehr unter den Nägeln wie
eben diese.
Direkt danach - aber mit prozentual weitem Abstand - kommt
eine kontroverse Frage:
"Wie viele und welche Pilze brauche ich, um
meine Schwiegermutter ins souterranische Endmöbel zu
befördern?"
Eine Frage, die ungleich
schwieriger zu beantworten ist,
zumindest seit die pfiffigen
Weißkittel so ziemlich alle Pilzvergifteten vor dem Exitus
bewahren können.
Okay, manche (die Patienten, nicht die
Weißkittel) haben hinterher einen dauerhaften Organschaden,
manche brauchen auch eine neue Leber oder eine neue Niere.... Kein
Problem mit der modernen Technik,
und die Krankenkasse rechnet emotionslos nach Fallpauschale
ab.
Chapeau!: Den hippokratischen Jüngern geht nur noch in
Ausnahmefällen einer als
Opfer von Giftpilzen durch die Lappen.
Die Giftpilzmahlzeit
für Schwiegermammi ist also eine höchst
unsichere,
und, wie nachfolgend dargestellt, sogar völlig unbrauchbare
Mordmethode.
Und kaum von Krankenlager genesen, ist Ihnen die Dame am Ende
sogar
noch weniger wohlgesonnen als vordem schon.
Für die, die es trotzdem wissen wollen, seien nachstehend
einige theoretische Hinweise gegeben,
einen möglichst
wirksamen Gift-Cocktail zu bereiten.
Als erstes kommt der
Grüne Knollenblätterpilz (auf vornehm
Amanita phalloides) in Betracht.
Doch selbst dieser giftigste
aller Giftpilze bietet schon die erste Hürde.
Denn
längst nicht alle Grünen Knollenblätterpilze
werden auch als solche erkannt.
Oft wähnen weniger
Kundige den
Gelben Knollenblätterpilz Amanita citrina
als den vermeintlichen Mörder,
einfach deshalb, weil sie den
Grünen noch nie gesehen haben. Der ist soo häufig
nämlich gar nicht.
Der Gelbe ist aber nicht giftig. Er
riecht und schmeckt nur eklig nach Kartoffelkeller.
Pech für
Sie, Glück für Schwiegermammi.
Natürlich
könnte man auch die beiden giftigen weißen Knollis (Amanita
verna
und Amanita
virosa) nehmen.
Aber erstens sind die hier zu Lande
noch viel seltener und außerdem - siehe oben:
Onkel Doktor
wird die Dame wahrscheinlich retten.
(Gleichwohl wäre es nicht das erste Mal, dass Knollis
als Mordwaffe eingesetzt werden.
Also in echt jetzt, nicht im Roman.)
Dann wären als kaum
weniger übler Gesellen zur
Beimischung und zur Wirkungsverstärkung
der
Orangefuchsige
Raukopf (Cortinarius orellanus) oder der
Spitzgebuckelte
Raukopf (Cortinarius rubellus, syn. C. speciosissimus)
zu nennen. Diese beiden tödlich giftigen Arten haben es
wahrlich in sich mit ihrem zerstörerischen Nierengift. Leider
sind auch sie vergleichsweise selten und mit zahlreichen, oft sogar
ziemlich ähnlich aussehenden Arten zu verwechseln. Will
heißen, ein Anfänger erkennt sie nicht, ein Kundiger
nimmt sie nicht wegen der oben erwähnten unsicheren Wirkung
auf Schwiegermammis unerwünschte Lebendigkeit.
Es nützt Ihnen ja nix, wenn die Nierchen der Dame hin sind,
die Besitzerin selbst aber nicht.
Aber wenn man Cortinarius orellanus und Amanita
phalloides zusammen kochen würde... wer
weiß...
Ich meine, es müsste der Dame ja auch noch
schmecken, damit sie sich die erforderliche Dosis freiwillig
einfüllt.
Bliebe noch die Frühjahrslorchel (Gyromitra
esculenta).
Die ist in der Tat ziemlich giftig, zumindest roh.
Man müsste
sie daher - um eine sichere Giftwirkung zu erzielen - auf jeden Fall
ungekocht verzehren.
Daher scheidet sie als Beimischung zum ultimativen
Schwiegermutter-Cocktail schon deshalb aus,
weil sie im Gegensatz zu
den meisten anderen Giftpilzen, im zeitigen Frühjahr
wächst.
Trocknen oder Kochen würde ihr Gift - das
Gyromitrin - leider, leider, weitgehend zerstören.
Tja, was hätten wir nun noch im Angebot...?
Der Riesenrötling (Entoloma
sinuatum)
und der Tiger-Ritterling (Tricholoma
tigrinum)
gelten als ziemlich stark giftig. Doch kann ich Ihnen versichern, dass
die - i.d.R. ohne weitere Folgen - wieder draußen sind, noch bevor
Sie ihren Teller leergelöffelt haben.
Trichterlinge und
Rißpilze... ja, die können von
Fall zu Fall schon mal ein bisschen reinhauen.
Nur: Kaum einer kann sie voneinander unterscheiden. Und wollen Sie denn
wirklich das Risiko eingehen,
Ihren Gift-Cocktail mit essbaren Pilzen
zu verdünnen?
Bliebe als
vorletztes Mittel noch der
Kahle Krempling
Paxillus
involutus. Er soll ja potenziell
tödlich giftig wirken können. Ich glaube das nicht.
Nie und nimmer. So richtig bewiesen ist das nämlich
keineswegs.
Außerdem: Je weiter Sie gen Osten reisen, desto
zentnererweise wird er gegessen,
ja sogar auf den Märkten
verkauft, zeitweilig in gigantischen Mengen.
Er müsste auf jeden Fall roh den Knollis beigemischt werden,
dann könnte er wenigstens seine
hämolytische (=
blutzersetzende) Wirkung entfalten.
Von
der Beimischung von Fliegen-
und Pantherpilzen
wird ganz entschieden abgeraten.
Wenn Schwiegermammi
tatsächlich so böse ist, dass Sie sie loswerden
wollen, dann könnten diese Charaktereigenschaften durch die
Ibotensäure und das daraus entstehende Muscimol
möglicherweise noch verstärkt werden. Das
heißt, dass die Dame vielleicht handgreiflich wird gegen die
Krankenschwester und den Doktor und seine teuren Instrumente und Sie
müssen dann für den von ihr im cholerischen
Vollrausch angerichteten Schaden auch noch aufkommen.
Ach ja, und dann
gibt es ja noch diese neumodischen "Giftpilze" wie
z.B. den Grünling,
die Nebelkappe,
den Ohrförmigen
Seitling oder den Büschelrasling,
alles Pilze, die seit Urzeiten gegessen wurden
und die heute giftig sind... Oder diesen exotischen
Parfümtrichterling, der so saugefährlich sein soll,
dass schon heute von interessierten Kreisen die entsprechende
Sensibilisierung zu erreichen versucht wird. Manche sollen
sogar schon für die große Stunde trainieren, in der
in der der bislang in Japan heimische Clitocybe acromelalga
zum ersten Mal in Deutschland auftauchen und uns alle zusammen ins Grab
befördern könnte. Wahrscheinlich kommt er
dann in Begleitung der Schwarzen Witwe oder der Sandviper. Die
Arachnologische Gesellschaft denkt sogar bereits über die
mögliche Ausbildung und den Einsatz von
Spinnensachversändigen (SSV) nach, um dem Volk aufzuzeigen, in
welcher Gefahr es in Wirklichkeit schwebt.
Also ich kann die
Warnungen gut verstehen, Eis- und Wärmezeiten kommen und gehen
ja mit einem Speed, der den der Kontinentaldrift noch
übersteigt. Trotzdem sollten Sie sich keinen falschen Hoffnungen hingeben: Die
Wahrscheinlichkeit, dass Sie ihre ungeliebte Verwandte mit
eingebürgerten Exoten über den Jordan
befördern könnten, ist statistisch entschieden
geringer, als wenn
die Dame in der nächsten Stunde von einem Terroristen
erschossen wird.
Zusammenfassend möchte ich betonen: Wenn ich jemanden
wüsste, dem ich die teuflischste aller möglichen
Pilzmahlzeiten zubereiten und unterjubeln wollte, ich hätte
kein sicheres Rezept zur Hand.
Jedenfalls
würde ich es nicht
mit Pilzen versuchen.
Um daher abschließend auf die zweitwichtigste all Ihrer
Fragen zurückzukommen:
Pilze sind als Mordwaffe denkbar
ungeeignet.
Manche können hingegen sehr wohl eine dauerhafte
Einschränkung Ihrer Gesundheit zur Folge haben.
Aber das ist
zum einen wohl nicht in Schwiegermuttermörders Interesse und
zum anderen nicht planbar.
Der erwünschte Todesfall ist hingegen nur bei entsprechender
Disposition zu erwarten
oder wenn Sie nachhaltig verhindern
können, dass ein Doktor rettenderweise Hand an die Dame legt.
Kleiner Tipp für die, die weder sterben noch morden wollen:
Pilzsammler sollten die
allergiftigsten Pilzarten wirklich aus dem Stand und in JEDER
Erscheinungsform kennen. Das ist schon die halbe Miete, wenn Sie selbst
welche zum Essen sammeln wollen. Alle übrigen Giftpilz-Arten -
wie z.B. ein
Risspilz oder der mit Alkohol zusammen giftige
Faltentintling Coprinus atramentarius -
können
durchaus sehr unangenehme
Wirkungen haben,
werden Sie aber mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht für den
Rest des Lebens außer Gefecht setzen.
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