Die kommerzielle Aberntung von wildwachsenden Speisepilzen 

in der pazifischen Nordwest-Region der Vereinigten Staaten.

Von R.F. Rowe Oregon, USA. Aus dem Englischen übersetzt von Wolfgang Herzig, Apolda

Oktober 1995. Zu jeder anderen Jahreszeit würde dieser weiträumige Fleck am Highway, abhängig von der jeweiligen Saison entweder kalt oder heiss oder staubig sein, und sehr einsam. Er liegt mitten im Staate Oregon am Meilenstein 76 des Highway 58 und wird Halbmond-See genannt, wobei er zwei kleine Tankstellen und eine Raststätte enthält, die schon lange von Truckern bevorzugt werden. Zu der Zeit, wo ich dies schreibe, hocken die Pilze schon gespannt in ihren Startlöchern. Die Kiesparkplätze sind belegt mit einer Ansammlung von Campern und Reisenden. hastig aufgebaute Buden mit bunten Planen im Überfluss. Schilder proklamieren: "Spitzenverdienst" und "Pilzaufkauf".

Der Grund für diese Spannung: 20 und mehr Pilzaufkäufer lauern auf die Gelegenheit, den Matsutake oder "Kiefernpilz" (Tricholoma magnivelare) zu erwerben, der durch beinahe 1000 Sammler frisch gepflückt wird. Der Preis für Matsutake Sorte 1 steht bei 50 $ das Pfund, eine runde Summe, aber niemand verkauft ihn. Alle hoffen sie auf jenen ersten Bruch und den Preisaufschwung, um auf diese Weise ihre Tagesausbeute profitabler zu machen. Und wie gewöhnlich passiert das auch. Der Preis schnellt auf 80 $ das Pfund hoch, der Druck ist da und bevor der Abend vorüber ist, wird die Sorte 1 schliesslich für 100 $ das Pfund gekauft und eine Viertelmillion Dollar werden ausgegeben, um etliche tausend Pfund Matsutake zu kaufen.

Die obige Szene wird sich jeden Abend abspielen, bis die Saison im November endet und sie ist bezeichnend für den gegenwärtigen Wert von wildwachsenden Speisepilzen, die in der pazifischen Nordwestregion der Vereinigten Staaten geerntet werden. Dieses Gebiet ist bemerkenswert verschiedenartig und beinhaltet einige verschiedene Ökosysteme wie den gemässigten Regenwald an der Küste, etliche Höhenzüge und breite Flussmündungen. Bei der Beschreibung des Nordwestens beziehen wir die Staaten Washington, Oregon, NordKalifornien, West-Montana und den Hauptteil von Idaho ein. Von Nord nach Süd zieht sich der Kaskade-Bergrücken, der Oregon und Washington in ihre zwei bestimmten Regionen aufteilt. Die Kaskaden enden in den Siskiyou-Bergen im Süden. Nach Norden hin vereinigen sich die Kaskaden mit der Rocky-Mountains-Kette in British-Columbia. Zum Osten hin haben wir den Rocky-Mountain-Rücken, der die östliche Grenze dieser kommerziellen Erntezone bildet.

Alle diese biogeoklimatischen Zonen sind ein grossartiger Braukessel für die anmutige Pilzvielfalt, der wir uns erfreuen. Die Fruchtkörperbildung ist so riesig, dass die kommerzielle Ausbeutung wahrscheinlich ohne jeden sichtbaren negativen Effekt für die Umwelt bleibt. Nachstehend sind verschiedene gesammelte Arten erwähnt, ihre Verwendung und Verschiffung:

Volksname Botanischer Name Verwendung Markt
Spitzmorchel Morchella conica (elata) frisch, trocken USA, Europa
Pfifferling Cantharellus cibarius (sulbalb.) Sole, frisch USA, Europa, D.
Schwefelporling Laetiporus sulphureus frisch USA
Runzelverpel Verpa bohemica frisch, trocken USA
Semmelstoppelpilz Hydnum repandum frisch USA
Herbsttrompete Craterellus cornucopioides frisch, trocken USA, Europa
Steinpilz Boletus edulis frisch, trocken USA, Europa
Hummerpilz Hypomyces lactifluorum frisch USA
Speisemorchel Morchella esculenta frisch, trocken USA
Austernseitling Pleurotus ostreatus frisch USA
Matsutake Tricholoma magnivelare frisch Japan

Was ich als die "Grossen Vier" bezeichne, sind die am meisten extensiv geernteten Speisepilze und beinhalten die Morcheln, Pfifferlinge, Röhrlinge und Matsutake.

1993 wurde eine generelle Erhebung über Käufer und Verarbeiter in der Dreistaatenregion Washington - Oregon - Idaho abgeschlossen (Schlosser & Blatner).
Die folgenden Zahlen betreffen die Saison 1992:
Morcheln 0.59 Mio kg = 590 t
Pfifferlige 0.50 Mio kg = 500 t
Matsutake 0.38 Mio kg = 380 t
Röhrlinge 0.22 Mio kg = 222 t
Insgesamt 1.80 Mio kg = 1800 t
Teilnehmende Sammler 10.400
An die Sammler ausgezahlt 20,3 Mio $
Industrieabgabepreis 41,1 Mio $

Wenn Sie das zu den 125 t addieren, die in British Columbia gesammelt wurden (de Gues, 1995), sind das nahezu 2000 t, die im gesamten Nordwesten gesammelt wurden. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass diese Zahlen nicht die gesamte Pilzindustrie repräsentieren. Als kommerzieller Aufkäufer erwarb ich 100 t wildwachsender Pilze in der gesamten Saison und inclusive aller Arten und niemand hat das festgehalten. Ich weiss auch von einer Handvoll anderer Aufkäufer, die nicht inbegriffen sind, einschliesslich einiger in Montana und Nord-Kalifornien.

Die individuellen Preise pro Pfund Pilze bleiben über das Jahr relativ stabil. Die folgende Tabelle, aufgestellt nach den Aufzeichnungen des Autors, listet die "Grossen Vier" im Durchschnitt und in Höhen und Tiefe der Preise auf.

Art Preis Hoch tief
Pfifferling 2,00 $ 8,00 $ 1.25 $
Morcheln 3,50 $ 9,00 $ 1,25 $
Röhrlinge 5,00 $ 15,00 $ 3,00 $
Matsutake 1 75,00 $ 525,00$ 40,00 $
Matsutake 2 35,00 $ 150,00$ 15,00 $
Matsutake 3 15,00 $ 65,00$ 5,00 $
Matsutake 4 8,00 $ 35,00$ 2,00 $
Matsutake 5 5,00 $ 8,00$ 1,00 $

Die Preise haben die Tendenz, täglich entsprechend der Weltmarktbedinungen zu schwanken und das Angebot von Matsutake zeigt die grössten Marktschwankungen.

Die Grossen Vier
Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass die folgenden Arten in vielen verschiedenen ökosystemen gefunden werden können. Durch Aufzeichnungen biete ich nun ein paar Tricks an, die mir über die Jahre geholfen haben, diese wertvollen Pilzarten zu finden.

MORCHELN
Die bei weitem meistgesuchten Morcheln sind M. elata und M. conica. Es ist relativ leicht vorherzusagen, wo Massenvorkommen an exportgeeigneten, wurm- und käferfreien, d.h. entsprechend begehrten Morcheln zu erwarten sind: Immer nach einem grossen Waldbrand im Osten der Kaskaden und im Westen der Rocky Mountains. Der umsichtige Morchelsammler macht den Hauptteil seiner Vorsaison-Nachforschungen in der Bequemlichkeit seines Wohnzimmers während der Wintermonate, indem er verschiedene Forstrevierdienste in Hauptmorchelgebieten anschreibt und Ort und Grösse von grossen Waldbränden erfragt. Durch die Markierung dieser Waldbrände auf der Landkarte ist schon die Hauptarbeit getan. Alles was bleibt, ist zu entscheiden, welches Feuer das beste Morchelaufkommen hervorbringen wird und in dieser Sache kann Ihnen nur die Erfahrung helfen.
Angenommen, dass von einem 1500 Hektar grossen Waldbrand in Nordost-Washington nahezu 10 t erstklassige Morcheln geerntet wurden, und dass während einer durchschnittlichen Waldbrandperiode über 250.000 ha Land gebrannt haben könnte, so haben wir eine erstaunliche Menge Morcheln, die geerntet werden kann.

Die echte Speisemorchel Morchella esculenta kann auch mit einiger Regelmäßigkeit gefunden werden. Diese doppelwandige Version der Morcheln ist sehr anfällig für die hiesige Wurmpopulation, so anfällig, dass die meisten für den späteren Verkauf getrocknet werden müssen. In Jahren, wo M. elata und M. conica schwer zu finden sind, werden diese frisch verschickt. Dazu müssen aber ausgeklügelte Massnahmen ergriffen werden, um die Insekten zu reduzieren, die sich diesen Pilz als Opfer ausgesucht haben.Zur Fruchtköperbildung werden Gebiete gestörter Nutzholzbestände bevorzugt und faktisch können die Morcheln über 2 oder 3 Jahre in grossen Mengen gefunden werden, vorausgesetzt, das Frühlingswetter war kooperativ und es hat genug geregnet.

PFIFFERLINGE
Das Massenwachstum dieser meist bevorzugten Pilzart tritt im Herbst in den küstennahen gemässigten Regenwäldern auf. Der Pfifferling hat eine mykorrhizale Natur und kann in alten Nutzholzbeständen genauso wie in Schonungen und in Niederwaldgebieten der Douglasie (Pseudotsuga menziesii) gefunden werden. Die Douglasie ist in den hier vorgestellten Gebieten der Hauptwirtsbaum der Pfifferlings, wenn auch nicht ausschliesslich. Die Fruchtkörperbildung kann nach den ersten Herbstregen erwartet werden und dauert bis zum späten November an.

Die grosse Hauptmasse, aber keineswegs alles, wird in einer drei Bezirke grossen Region im Staate Washington gefunden. Diese Bezirke sind Mason, Grays Harbor und Pacific. Alle sind gerade südlich des Olympic Nationalparks gelegen. Ausschliesslich von diesem Gebiet stammt die Unterart C. cibarius var. subalbidus, der weisse Pfifferling. Er schmeckt genauso wie der gelbe und bringt bei den Aufkäufern gewöhnlich denselben Preis wie der gelbe.

Die meisten Pfifferlinge werden in den Gebieten gekauft, wo sie gesammelt werden, werden dann in die Sammelstellen der Aufkäufer gebracht und in eine Salzlake getan, als Vorbereitung zur Konservierung. Es gibt sehr geringe Unterschiede in der Qualität von Pfifferlingen, es sei denn, man liest die jüngeren"Knöpfchen" zum Verkauf an besondere Restaurants aus.

STEINPILZE
Im Frühjahr kann der Steinpilz in den bergigen Regionen der Kaskaden genauso wie in den Rocky Mountains kurz nach der Schneeschmelze gefunden werden. Die bei weitem bedeutendsten Vorkommen befinden sich in den Küstenregionen der Staaten Washington und Oregon während der Hauptsaison. Man muss sorgfältig sein, um seine Sammelkarten zu markieren, weil der Steinpilz bekannt dafür ist, jedes Jahr an der gleichen Stelle wieder zu erscheinen. Für diese Art ist auf den Punkt genau vorhersehbar, dass sie unter den gleichen Bäumen Saison für Saison zurückkommen wird. Das ist zweifellos der Mykorrhiza-Natur des Steinpilzes zuzuschreiben.

Röhrlinge werden in drei Güteklassen gefunden. Sorte 1 kann nur ein junger Knopf sein, mit sehr festem Fleisch, mit weissem Hymenium und ohne Maden. Klasse 2 ist ein älterer Pilz, jedoch das Hymenium muss noch weiss bis cremefarben sein und das Fleisch ziemlich fest. Die dritte Sorte ist ein reifer Pilz, der aber wurmfrei sein muss. Eine grosse Menge Steinpilze werden im Inland an feinere Restaurants verkauft, speziell Sorte 1 und 2. Sorte 3 ist hauptsächlich für den Export und zum Trocknen bestimmt.

MATSUTAKE
Die folgende Seite ist eine detaillierte Anleitung für die Einteilung des Matsutake in Güteklassen. An vorher gegebenen Preislisten können wir erkennen, dass sie auch die kleinsten der Güteklassen sind. Die Sammler legen weite Strecken zurück, um Sorte-1-Exemplare zu finden. Sie gehen sogar so weit, ausgefallene Sammelmethoden zu gebrauchen. Der Matsutake ist in der Tat ein listiger Pilz. Der Hauptteil seines Wachstums passiert unterirdisch. So soll man wahrscheinlich nur reifere Pilze finden. Die kommerziellen Sammler in den Kaskaden betreten erstklasssige Sammelgebiete mit einem scharfen Auge für Sorte-1-Pilze. Sie werden gewöhnlich durch Beobachtung der Streuschicht auf dem Waldboden nach kürzlich gebildeten Buckeln und Hügelchen erspäht, die anzeigen, dass ein Pilz damit beginnt, sich seinen Weg an die Oberfläche freizustossen. Die Sammler sind meist mit einem extralangen Schraubenzieher oder anderen selbstgemachten Geräten bewaffnet, um diese Exemplare aus dem Boden herauszubekommen. Am anderen Ende ist immer ein Pinsel zum Säubern der Matsutake angebracht.

Die Matsutakeernte beginnt im Frühherbst in British Columbia. Wenn die Herbstsaison sich fortsetzt, verlagert sich die Fruktifikation kontinuierlich nach Süden und in das Hochland der Kaskaden. Im November vollzieht sich ein weiteres Wachstum in der südlichen Puget Sound Region des Staates Washington. Während das Hochland-Wachstum gewöhnlich unter Kiefern oder anderen Koniferen passiert, gibt es diese Ernten fast in Meerespiegelhöhe ausschliesslich unter anderen Koniferen. Zu dieser Zeit kommt auch eine Fruchtkörperbildung im Küstenkieferngestrüpp Oregons vor. Letztendlich, im November und Dezember, wandert die Ertragssukzession sogar noch weiter nach Süden bis Süd-Oregon und Nord-Kalifornien. Hier wächst der Matsutake fast ausschliesslich unter dem Tanoak-Baum (Lithocarpus densiflorus).
Es ist anzunehmen, dass er strikt mykorrhitisch baumgebunden ist.
Es gibt noch wenig Erkenntnisse darüber, ob und wie diese kommerzielle Ausnutzung das …kosystem beeinflusst. Persönliche Beobachtungen bringen zutage, dass die ausgefallenen Sammeltechniken schädlicher sind als einfaches, passives Sammeln.
Vor kurzem erlassene Gesetze und ein Erlaubnissystem für nationale Wälder sollten die Auswüchse zügeln. Sicherlich wird die Nachfrage nach Wildpilzen weiterhin steigen, bis Methoden für die kommerzielle Züchtung von Mykorrhizapilzen entwickelt worden sind.

Literatur:
de Gues, N (1995): Botanical Forest Products in British Columbia: An overview. B.C. Ministry og forests, Victoria B.C.
Schlosser, W.E. and Blatner, K.A. (1993): The wild edible Mushroom Industry in Washington, Oregon and Idaho: A 1992 Survey of Processors. Journal of Forestry, March 1995: 31-36.

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Verfasser dieser Pilzbücher sind David Hosford, David Pilz, Randy Molina, Michael Amaranthus, Jerry Guin,
M. G. Banfield, Gary Lincoff, Leota McKenzie und David L. Spahr.