Familie Morchellaceae - Morchelverwandte

Spitzmorchel Morchella conica

Spitzmorchel Morchella conica

Weise Einrichtungen im Leben der Askomyzeten (Schlauchpilze).
Von Akos Olgyai, Budapest, gefunden in der Zeitschrift für Pilzkunde 1/1924

Mit dem ersten linden Sonnenstrahl war ich unter den Bäumen und ließ die trockenen Blätter unter den Füssen rasseln. Sie rasselten tagelang, daß ich's Schon überdrüssig war. Es sollte ja Morcheljagd heißen! Und als ich des Abends heimkehrte, hatte ich nicht mehr als einen Strauß blauvioletter Iris pumila und einige Primeln mitgebracht.  Die Morcheln hatten sich gut verkrochen. Ich zweifelte schon an der Sicherheit meiner Augen, dann fiel mir ein, daß es mir eher an an irgendeinem sicheren Kompaß mangelte, der mir die gute Richtung zeige.
Als ich mir an einem Abend - die Morcheln ganz vergessend - sorgenlos den Weg durchs Dickicht bahnte unll eben von einer Böschung sprang, sah ich unverhofft zu meinen Füssen eine Morchel stehen.
Im flaumenden Grün einer kleinen Wiese schief eingebettet, als wollte sie einen Flieger schießen. Ich sah mich um, es wuchsen Ulmen auf der Wiese und um sie herum eine Schar hoher Morcheln. Nun hatte ich den Kompaß!
Ich gestehe, daß ich der Fürsorge Dr. Zeuners für Standort und Mykorrhiza erst jetzt vollständig bewußt wurde.
Freilich lenkte ich nachher immer zu Ulmen und hatte beständig Erfolg.
So brachte ich aus diesem Schlupfwinkel Hohe-, Böhmische-, Speise-, Käppchen-, Harte- und Spitzmorcheln hervor. Als ich später im guten alten Krombholz blätterte, fand ich bei der allgemeinen Beschreibung der Morcheln, unter "Standort und Vaterland" geschrieben: "In trockenen Wäldern und Gärten in ganz Europa, besonders unter Ulmen."
Ich war ganz überrascht. Nicht etwa, weil mir Krombholz zuvorkam, sondern daß es hier so lange vergraben liegen konnte: Diese Notiz ist ja schon bei Geburt so gut wie in den Brunnen gefallen! Denn es heißt überall: in lichten Waldungen, in Gärten, an Meilerstätten, auf sandigem Boden und dgl. Ich bemühte mich aber vergebens. Es kam ja vor, daß ich einzelne fand, aber immer nur unverhofft der richtige Kompaß fehlte mir noch immer. Nun kenne ich ihn; ich hätte aber mehr blättern sollen, da hätten mich meine Scharniere weniger geschmerzt.
Was man aber so mit Mühe findet; wird sehr geschätzt, dann sehen die Morcheln auch so drollig aus, daß es mich freute, mich mit ihnen zu befassen.
Ich habe einstens eine Entwicklungsform eines gezüchteten Pilzes den Sonnenstrahlen ausgesetzt, und wenige Augenblicke nachher wurde meine Nase plötzlich mit kleinen Kugeln aufs lebhafteste beschossen. Diese Erscheinung dauerte einige Sekunden und wiederholte sich nicht mehr. -
Die Asken (Schläuche) entleerten auf Wärmereizung ihren Inhalt.
Wie ich die Morcheln im Freien so ansah, reizte es mich, sie anzublasen, und in den vielen kleinen Örchen pfiff es ganz possierlich.
Die sind ja dazu geschaffen, daß man sie anblasen soll! So blies ich auch in Becherlinge hinein, und es stiegen ganze Wolken von Sporen aus ihnen empor.
Wieder dasselbe Ergebnis wie beim erwähnten Präparat: auf Reizung entleeren die Asken ihre Sporen.
Das ist keineswegs eine simple Wegfegung, sondern die Tätigkeit der Asken als Reaktion auf Reizung, ein ähnlicher Vorgang, wie beim Geschoßschleuderer Pilobolus.
Es entsteht also eine Streuung, nicht zu Boden, wo die Sporen sogleich haften, wie es beim größten Teil der Basidiomyzeten der Fall ist, sondern plötzlich und massenhaft in die freie Luft hinein und dann auf Windesflügeln in die weite Welt.
Aber zur Frühlingszeit, wenn die Morcheln erscheinen, ist es noch kühl, und zur Sporenbildung brauchen sie Wärme, ihr Hymenium liegt ja außen, dem Winde und Wetter ausgesetzt.
Diese Wärme erzeugen sie seIber, können aber auch die Wärme der Sonnenstrahlen mit ihren vieIen Kammern fassen und zur Sporenbildung verbrauchen.
Im März, als ich Speiselorcheln schon massenhaft fand, schneite es, und es war kalt. Aber die Lorcheln waren fühlbar warm. Nachher kam eine Kälte, die das Quecksilber tief unter Null sinken ließ. Den Lorcheln schadete die Kälte nicht, aber Sporen hatten sie keine; sie verbrauchten die erzeugte Wärme für die Erhaltung ihres Lebens und für Sporenbildung langte sie nicht.
Wenn es uns unbegreiflich ist, daß Pilze zur Zeit des Ruhestandes der Natur ihr Gedeihen finden, so müssen wir annehmen, daß vollständiges Anpassen an Verhältnisse sie der allgemeinen Regeln enthebt.
Wenig Wärme und keine Insekten!
Der Fliegenpilz muß leuchtend prangen, andere müssen sich durch Geruch den Fliegen und ihren Maden anbieten. Die Morcheln sind aber kaum sichtbar, ja sie wollen es auch nicht sein und mimikrieren.
Ich fand Morcheln im Gemisch von Ulmen und Acer pseudoplatanus (Ahorn). Der Boden war rötlich-dunkelviolett, und die Morcheln hatten eine ähnliche Farbe; an einer Stelle lag aber nackter Lehm, und es wuchsen dort lehmgelbe Morcheln. Sie schützen ihre Kinder vor dem Menschen, um sie dem Winde anvertrauen zu können. Die Käppchenmorchel kann sogar schleichen und steckt ihr Köpfchen schlau durch Hecken, als würde der weiße, gebogene Stiel gar nicht ihr angehören.
Kommt dann der Wind, so haben sie ihre Pflicht getan, sie verschwinden mit der Blütezeit der Ulmen.

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In der Familie der Morchelverwandten (Morchellaceae) sind bisher Vertreter
folgender Gattungen
erfasst:
Morchella . Morcheln
Helvella Becherlorcheln
Gyromitra . Lorcheln

Übergeordnetes
Taxon:
 . Pezizales .

 Links zum Thema
Morcheln
Krombholz
Morcheln
aus Tintling 4/2003
Speisemorchel
Käppchenmorchel
Hohe Morchel
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