Phylogenese und Ontogenese eines Tintlings

Coprinus cinereus (Schaeffer ex Fr.) S. F. Gray 1821

von Dietmar Winterstein, Bad Münstereifel

Grauer Tintling Coprinopsis cinereus

Grauer Tintling Coprinopsis cinereus .

Über die Herkunft pilzähnlicher Vorgänger existieren viele Hypothesen.
Die eigentümliche  Lebensweise der Pilze hat in der Vergangenheit Anlass zu den wildesten Spekulationen gegeben.
BRESINSKY definiert in einer lesenswerten Publikation in der Zeitschrift für Mykologie Pilze als einfach gebaute eukaryotische, heterotrophe, in ihrem Erscheinungsbild bewegungsinaktive Organismen, die sich durch Sporen fortpflanzen und vermehren. Pilze bilden ein eigenständiges Naturreich, da sie weder Pflanzen und noch Tiere sind WHITTAKER (1969), BRESINSKY (1996).

Der hohe Sauerstoffgehalt der Erdluft - seit etwa 500 Millionen Jahren rund 21% - wurde schon in geologisch früheren Zeiten von Blaualgen (Cyanobakterien) erzeugt, aber nicht von grünen Landpflanzen ELLENBERG (1996).
Die fossilen Blaualgen haben den heutigen Sauerstoff-Vorrat unserer Erde angelegt.
Viele Befunde deuten darauf hin, dass vor 3,7 - 2 Milliarden Jahren trotz der 
Sauerstoffproduktion der Cyanobakterien die Erdatmosphäre einen überwiegenden 
Kohlendioxidanteil hatte.Schwefel-Eisen-Verbindungen (Pyrit) aus dieser Zeit waren noch nicht oxidiert. Sauerstoff wurde verbraucht durch Reaktion mit vulkanischen Gasen und Oxydation mit im Meerwasser gelöstem Eisen. Vor etwa 2 Milliarden Jahren kamen dann immer mehr rote Sedimente zur Ablagerung. Es waren vorwiegend Abtragungsprodukte aus den Festländern. 
Ihre Rotfärbung rührt von Eisenoxid-Partikeln her, ein Anzeichen dafür, dass Eisenverbindungen in bereits sauerstoffreicher Atmosphäre zu Eisenoxiden umgewandelt wurden. Die ubiquitären, reich differenzierten Cyanobacteria werden für den Anstieg des Sauerstoffgehalts der Atmosphäre verantwortlich gemacht, da sie im Gegensatz zu anderen photosynthetisierenden Bakterien als Nebenprodukt der Photosynthese Sauerstoff bilden. Cyanobakterien erhöhten allmählich den Sauerstoffgehalt der Atmosphäre und bereiteten so den obligat aeroben Bakterien und besonders den Eukaryoten den Weg.

Entwicklung der Lebewesen:
Blaualgen Zeitalter der Cyanobakteria seit ~3 Milliarden Jahren
Archaea "Feuerzwerge" Anaerobier seit ~3 Milliarden Jahren
einzellige Eukaryoten seit ~2 Milliarden Jahren
Grünalgen seit 1,3 Milliarden Jahren 
verzweigte Algenfäden seit ~1 Milliarden Jahren
Erst jetzt sind kompakte Zellverbände möglich.
Galectine in verschiedenen Organismen vor ~1 Milliarden Jahren
Die Tierwelt entwickelt sich explosionsartig; alle Stämme der Wirbellosen sind schon vertreten; erste Wirbeltiere treten im Kambrium auf. vor ~500 Millionen Jahren
Ascomyceten und Basidiomyceten haben einen gemeinsamen Urahn und gehen ab dem Devon getrennte Wege vor ~400 Millionen Jahren
Tremellales und Hymenomyceten haben wahrscheinlich einen gemeinsamen Urahn vor ~220 Millionen Jahren

Eukaryonten
Eukaryonten sind Organismen, die durch den Besitz eines Zellkerns und eine reiche 
Kompartimentierung der Zelle durch Membranen charakterisiert sind. Man nimmt heute an, dass alle eukaryotischen Zellen von einer gemeinsamen anaeroben, prokaryotischen Ahnform 
abstammen. Die autotrophen Eukaryonten (u. a. Grünalgen und Pflanzen) wären demnach analog durch Aufnahme von Cyanobakterien in die Zelle entstanden, aus denen die Chloroplasten hervorgingen. Die Entwicklung eukaryotischer Zellen scheint sich erst dann vollzogen zu haben, als ausreichend Sauerstoff für die aerobe Lebensweise verfügbar geworden war. Anscheinend hat sich für die Eukaryonten typische mitotische Kernteilung auf dem Niveau der Amöben und Amöboflagellaten entwickelt.

Endosymbiontentheorie
Es ist vorstellbar, dass sich unter verschiedenen Voraussetzungen, an unterschiedlichen 
Klima- und Meereszonen, unter isolierten Bedingungen im Urozean differenzierte Formen von Urzellen entstanden. Die Stoffwechselfunktionen wichen voneinander ab. Trafen diese Urformen, durch geotektonische Veränderungen bedingt, aufeinander, so trat nicht unbedingt Konkurrenzkampf ein, der zur gegenseitigen Vernichtung durch Auffressen, sondern zum Zusammenleben bei gegenseitigem Nutzen, zur Symbiose führte. So ist denkbar, dass eine 
Amöbenartige Urzelle, die anaerob und heterotroph lebte - freier Luftsauerstoff war damals noch nicht verfügbar - auf bakterienartige andere Zellen stieß, um eventuell vorhandenen Sauerstoff mit ihren Enzymen für Oxidationsprozesse zu verwenden. Die Uramöbe nahm die atmende Urzelle auf, verdaute sie aber nicht, sondern ließ sie in ihrem Inneren weiterleben.
Die Mitochondrien sind durch Aufnahme von aeroben Bakterien, die Chloroplasten der Pflanzen sind durch Aufnahme von Blaualgen entstanden. Zahlreiche wasserbewohnende Protozoa und wirbellose Tiere beherbergen in ihren Zellen und Geweben photosynthesierende Algenzellen. 
Die photoautotrophen Euglenophyta sind möglicherweise entstanden, als ein heterotropher Vertreter der ursprünglichen Euglenophyta eine Grünalge aufnahm und einbaute. Beispiele: Im Süßwasser lebt die Gattung Chlorella als Endosymbiont im heterotrophen ciliaten Pantoffeltier (Paramaecium). Die Aufnahme einzelliger Grünalgen und ihr Erhalt in den Verdauungszellen des Süßwasserpolypen Hydra (Cnidaria) hat in diesem Fall zur Entstehung eines photoautotrophen vielzelligen Tieres geführt. In beiden zitierten Fällen ist die Verbindung noch locker: beide Partner können getrennt kultiviert werden.
Alle Riff-bauenden Korallen, aber auch andere Meerestiere leben in Symbiose mit autotrophen Dinophyten - begeißelten Einzellern, die Chloroplasten enthalten. Diese Endosymbionten werden unter dem Begriff "Zooxanthellen" zusammengefasst. Ohne solche Endosymbionten kümmern die Korallen und bilden keine Kalkskelette mehr aus. Man findet Dinophyta als Endosymbionten u.a. in Protozoa (Arten der Foraminifera, Polycystinea = Radiolarien), in Cnidaria (Quallen, Seeanemonen, Korallen) und in Mollusca (Schnecken und Muscheln). 
Verschiedene Argumente sprechen für die Endosymbionten-Theorie. Sowohl Mitochondrien als auch Chloroplasten besitzen eigene semipermeable Membransysteme und eigene genetische Informationskomplexe in Form von DNA. Sie vermehren sich unabhängig vom Zellkern. Daneben gibt es eine Reihe von Zellorganellen, die keine eigene DNA besitzen, wie der Golgi-Apparat und das Endoplasmatische Retikulum. Für sie wird angenommen, dass sie durch Einstülpen einzelner Membranteile entstanden sind. 
Die Endosymbiontentheorie von A.F.W. SCHIMPER (1883) sagt aus, dass die autoreduplikativen und genetisch semiautonomen Plastiden und Mitochondrien von ehemals freilebenden Einzellern abstammen, die auf einer sehr frühen Evolutionsstufe als Endosymbionten in Zellen aufgenommen wurden, die noch Organellen-frei waren, aber bereits eukaryotische Organisationsmerkmale besaßen.
Im Lichte der Endosymbiose-Theorie können die oben gezeigten Beispiele integrierter symbiotischer Verbindungen zwischen Algen und heterotrophen Organismen als evolutionäre Entwick- lungsstadien neuer Linien photosynthetisierender Organismen gesehen werden. 
Die Beispiele zeigen auch, dass die Abgrenzung von Pflanzen und Tieren künstlich ist.
Fossil sind die Dinophyten seit dem Jura (Silur) bekannt; offen ist, ob schon die Riffbauer im Mitteldevon mit assimilierenden Algen Lebensgemeinschaften eingingen.
Die wichtigste Folgerung aus der Endosymbioten-Theorie ist, dass neuartige Organismen evolutiv nicht nur durch Mutation, sondern auch - und zwar sprunghaft - durch Bildung stabiler intrazellulärer Symbiosen entstehen können STRASBURGER (1998). 

Welche Selektionsvorteile bringt die Entwicklung der Eukaryonten mit sich? 
Die somatischen Zellen der hochentwickelten eukaryotischen Organismen verfügen über einen doppelten 
Chromosomensatz; sie sind diploid. Daraus erwächst der Vorteil, dass mutierte Gene, wenn sie rezessiv sind, über Generationen hin mitgeschleppt werden können. Während sich also eine Letal- oder Defektmutation bei Bakterien sofort ausprägt und zur Tötung führt, kann eine ebensolche Mutation bei Eukaryonten erhalten bleiben. Eine weitere Mutation oder eine Veränderung der Milieubedingungen kann dann bewirken, dass die verborgen gebliebenen, mutierten Gene einen Selektionsvorteil bieten. Diploidie und Dominanz befähigen Eukaryonten zur Speicherung veränderter Gene und ermöglichen dadurch die raschere Entwicklung. Die zweite wesentliche Ursache für den Selektionsvorteil ist in der viel häufigeren Neukombination der Gene zu sehen. Bei diploiden Lebewesen kommt es in jeder Generation zu einer viel höheren Zahl von Neukombinationen der Gene als bei haploiden Organismen SCHLEGEL (1976).

Ultrastruktur einer eukaryotischen Basidiomyceten-Zelle
Die stark vereinfachte Zeichnung zeigt den Zellkern mit umliegendem Endoplasmatischem Retikulum und Zellorganellen wie Mitochondrien und Golgi-Apparat. Bei höher entwickelten Pilzen sieht man im Lichtmikroskop im Bereich der Hyphenspitze die "Spitzenkörper". Die Zellwand ist im apikalen Bereich äußerst plastisch. Die Wandstrukturen enthalten Glucane und Chitin, welche in der basalen Zellwand zu Mikrofibrillen auskristallisieren.
Das Zytoplasma ist der eigentliche Zellkörper, der den Zellkern mit seinem Nukleolus umgibt. Der Zellkern ist mit einer porösen Zellmembran umgeben. Die durchsichtige, homogene Grundsubstanz des Zytoplasmas ist das Hyaloplasma, in das die Zellorganellen und die Zytoplasmaeinschlüsse eingebettet sind. Die Zellorganellen sind Membransysteme: Glattes und Rauhes Endoplasmatisches Retikulum, Lysosomen, Mitochondrien und Golgi-Apparat. Nicht membrangebunden sind die Ribosomen, Mikrofilamente, Centriolen, Mikrotubuli usw. Das Zytosol ist die nicht weiter auftrennbare Fraktion des Zytoplasmas, in der zahlreiche Enzyme und Enzymsysteme enthalten sind.

Heterotrophe, also vielleicht pilzähnlich lebende, bereits eukaryotische Wirtsorganismen haben in Entwicklungsrichtung auf Algen fremde, photoautotrophe prokaryotische Organismen, oder bei sekundärer Endosymbiose photoautotrophe eukraryotische Einzeller als Photosynthese-Organellen vereinnahmt. Die Photoautotrophie ist demnach von den Eukaryonten nicht etwa neu erfunden oder aus prokaryotischen Ahnen fortentwickelt worden.
Die Photoautotrophie ist ausschließlich eine Erfindung der Prokaryonten BRESINSKY.
Sie wurde auf die Eukaryonten durch Symbiose in mehreren stammesgeschichtlichen unab-hängigen Symbiose-Ereignissen übertragen (Nahtstellen eines Qualitätssprunges im Stammbaum). Unter diesem Blickwinkel ist viel wahrscheinlicher, dass die Oomycota der gemeinsamen ursprünglichen Ahnengruppe eines autotroph gewordenen Algenzweiges und eines heterotroph gebliebenen Pilzzweiges besonders nahe stehen BRESINSKY.
Geosiphon pyriforme (innerhalb der Zygomycetes den Glomales angehörend) kann als licheni- sierter Phycomycet angesehen werden, der die Blaualge Nostoc in blasenartigen Anschwellungen seiner Hyphen enthält. Der Pilz stellt die einzige Flechtenform dar, bei welcher der Photobiont intrazellulär vorkommt SCHWANTES. Diese Endosymbiose muß aber immer wieder aufs Neue begründet werden, da es sich um keine cyclische Endosymbiose handelt BRESINSKY.
Mit Ausnahme der Oomycota gibt es keine Belege für eine engere Verwandtschaft zwischen 
Al- gen und Pilzen BRESINSKY. Und selbst für die Oomycota ist es wahrscheinlicher, dass sie heterotroph blieben und durch Phagozytose von Prokaryonten, später auch durch Befall von Eukaryonten sich ernähren mussten BRESINSKY.
Sowohl Mitochondrien als auch Chloroplasten besitzen eigene semipermeable Membransysteme und eigene genetische Informationskomplexe in Form von DNA. Sie vermehren sich unabhängig vom Zellkern in eigenen Teilungsvorgängen. Allerdings sind sie außerhalb der Zelle nicht lebensfähig, was auf einen "Domestikations-Prozess" von über Milliarden von Jahren hindeutet.

Kritische Anmerkungen zum Darwinismus
Die Natur ist konservativ: Was einmal entwickelt wurde, geht nicht unbedingt verloren. 
Vergleich mit den zahlreichen Hieroglyphen der Ägypter, die Achtung vor dem Alten hatten, es konservierten und daran festhielten. Selektion und Isolation können nur aus einem Gemisch von Mutanten auslösen, was darin an unbekannten Ursachen enthalten ist. 
Allein die Tatsache, dass es die Ausgangsformen der Evolution heute noch gibt, widerspricht also der Vorstellung einer zwangsläufigen, naturgesetzlich notwendigen Höherentwicklung durch Anpassung ILLIES.
Wenn aus dem Reptil ein Vogel wurde, wie die Evolution es erfordert, so eben nicht "allmählich" und in tausend kleinen Trippelschritten von immer weniger Reptil zu immer mehr Vogel, sondern in einem typologischen Quantensprung, wie ihn schon GEOFFREY DE ST. HILAIRE formulierte: "Der erste Vogel kroch aus einem Reptil-Ei!"
Es gibt eine Makro- und Mikro-Evolution: Der Artenwandel als Elementarprozess der Evolution verläuft in zwei qualitativ verschiedenen Ebenen: Er führt einerseits in plötzlichen, abrupten und unvorhersehbaren Qualitätssprüngen aufwärts von einem Typus zum wesenhaft und bauplanmäßig anderen und andererseits auf der jeweils erreichten Höhe des Typus dann zu dessen Abwandlung und Entfaltung in eine Zahl von typengleichen, nah verwandten Arten, die lediglich das gegebene Thema variieren JOACHIM ILLIES.

Flechten [Lichenophyta]
Flechten finden wir auf extremsten Standorten: in den Kältewüsten der arktischen und 
antarktischen Zonen, in den feuchtheißen Regenwäldern der äquatorialen Zonen und in den 
trockenen Wüsten. Flechten sind Doppelorganismen in denen vor allem niedere eukoryotische, photosynthetisch aktive Grünalgen oder prokaryotische Blaualgen mit Pilzpartnern zu einer morphologischen und physiologischen Einheit verschmolzen sind. Während die Pilze im Verborgenen wachsen, das Myzel meistens im Substrat seine Fäden spinnt und nur der Fruchtkörper in Erscheinung tritt, wächst der lichenisierte Pilz - sichtbar und greifbar - auf dem Substrat. Eine einzellige, kokkoide Grünalge aus der Gattung Trebouxia ist bei über der Hälfte der 14000 beschriebenen Flechtenarten der Photobiont, und bei weiteren 10 Prozent handelt es sich um verschiedene Arten von Blaualgen.
Diese Lebensgemeinschaft ermöglicht es beiden Partnern Standorte zu besiedeln, die dem Einzelwesen, vor allem dem Pilzpartner, allein nicht zugänglich wären. So ist es dem Pilz möglich, auch auf anorganischem Substrat wie Mauern und Steinen zu wachsen, und die Algen können an trockenen Standorten noch überleben. Die Flechtensymbiose bietet dem heterotrophen Pilz den Vorteil, sich einer ständig nachliefernden Energiequelle an niedermolekularen Nährstoffen zu bedienen und so nicht erreichbare ökologische Nischen zu besetzen. Während fast alle Photobionten ohne den Pilz leben können, ist die Symbiose für diesen unbedingt erforderlich.
Die Flechten sind mehr als die Summe ihrer Partner, durch die Symbiose kommt es zu einem neuen pflanzlichen Organismus. Die Vorteile für die Partner in der Flechtengemeinschaft sind: 
Die Alge liefert dem Pilz seinen Kohlenhydratbedarf wie Zucker und Zuckeralkohole - Blaualgen liefern Glucose, Grünalgen liefern Erythritol, Ribitol oder Sorbitol.
Der Pilz versorgt die in seinem Geflecht eingeschlossenen Algen mit Wasser und anorganischen Salzen und bietet zusätzlichen Schutz vor zu hoher Sonneneinstrahlung, Wasserverlust und Tierfraß.

Pilze aus verschiedenen Klassen wie Ascomyceten und Basidiomyceten
können diese Symbiose eingehen und sind in der Evolution ein klassisches Beispiel für Konvergenz (Übereinstimmung).
Der Pilz stellt den dominierenden Anteil an dem Komplex der Flechte dar; er ist es auch, der sich durch generative Sporen fortpflanzen kann. Aus diesem Grund orientiert sich die taxonomische Einordnung der Flechte nach dem Pilzpartner. Für die taxonomische Sonderstellung der Flechten sprechen eine Reihe von Merkmalen, welche die Flechten von den nicht lichenisierten Pilzen absetzen, wie z.B. die Fähigkeit, spezielle Diasporen für die Verbreitung zu bilden, die als Soredien und Insidien beide Partner gleichzeitig auf einen neuen Standort zu übertragen.
Besondere Charakteristika für die physiologische Einheit der Flechten sind:
1. der enge körperliche Kontakt der beiden Symbiosepartner,
2. der kompakte und oft strukturierte Flechtenthallus,
3. Diasporen (Soredien), die gemeinsam beide Partner verbreiten,
4. die sekundären Stoffwechselprodukte wie Flechtensäuren, die wir nur aus
5. diesen Gemeinschaften kennen,
6. das oberflächliche Wachstum auf dem Substrat.

Die Flechten sind nicht einfach Pflanzen,
keine Individuen im üblichen Sinn des Wortes; sie sind vielmehr Kolonien, die aus Hunderttausenden von Einzelwesen bestehen, aber nur eines davon spielt den Herrn, während die übrigen für immer gefangen sind und die Nahrung für sich selbst und den Meister bereiten. Dieser Meister ist ein Pilz aus der Klasse der Ascomyceten, ein Parasit, der es gewohnt ist, von der Arbeit anderer zu leben. Seine Sklaven sind Grünalgen, die er sich ausgesucht oder sogar eingefangen und in seinen Dienst gepresst hat. Die Flechte umgibt sie wie eine Spinne ihre Beute mit einem faserigen, engmaschigen Netz, das sich allmählich in eine undurchdringliche Hülle verwandelt, aber während die Spinne ihre Beute aussaugt und tot zurücklässt, regt der Pilz die Algen in seinem Netz zu immer schnellerer Tätigkeit an, ja sogar zu heftigerer Vermehrung" SIMON SCHWENDENER (1869).
Diese anthropomorphische Aussage ist immer noch aktuell und trifft den Nagel auf den Kopf.

35. Ordnung: Lecanorales, 7. Familie: Teloschistaceae [incl. Caloplacaceae] KREISEL (1969)

Xanthoria parietina (L.) Th. Fr.
Die Lecanorales umfassen den größten Teil aller bekannten Flechten.
Xanthoria parietina bekleidet die Äste abgestorbener Sträucher, vorzugsweise den Holunder, mit ihrem intensiv gelben Thallus. Die Flechte ist eindeutig nitrophil, aber empfindlich gegen Industrieabgase.

Der Fruchtkörper ist ein Apopthecium.
Die Asci sind hymeniumartig angeordnet, und zwischen ihnen finden sich fädige, kopfig verdickte Paraphysen, die in einer Gallertmasse eingebettet sind. Die Asci sind keulenförmig bis zylindrisch und dickwandig. In der Scheitelregion ist ein mächtiges, meist schwach amyloides "Futter" ausgebildet. Nach geschlechtlicher Fortpflanzung muss die Flechte stets neu synthetisiert werden; dies geschieht, indem der Pilz, der offenbar kein Auswahlvermögen hat, wahllos alle erreichbaren Algen befällt, und nur die geeigneten Partner überleben. Der fertige Flechten-Thallus gliedert sich in obere Rinden-Schicht, Gonidien-Schicht, Markschicht und untere Rinden-Schicht; nur in der Gonidien-Schicht befinden sich die symbiontischen Algen. Die Asci entwickeln sich sehr langsam, wie überhaupt die ganze Flechte sehr langsam wächst. Die Asco-Sporen sind auffallend "polar zweizellig", d.h. mit sehr dicker, von einem Kanal durchbohrter Scheidewand.

Trebouxia sp. (Chlorophyta, Pleurastrales, Pleurastrophyceae)
Die runden Zellen von Trebouxia besitzen einen massiven, zentral liegenden, sternförmigen Chloroplasten mit einem auffallenden Pyrenoiden. Der Kern liegt peripher. Die Organisationsstufe ist kokkal.
Bei der Wandflechte Xanthoria parietina trennen Wanddichtungen aus Hydrophobinen Askomyzet und Alge.Hydrophobine sind Glycoproteine, im Prinzip Oberflächen-Lectine, die an den Grenzflächen zwischen Pilzzellwänden und festen Oberflächen reagieren können. Hydrophobine werden von den Hyphen ausgeschieden und bilden dann auf deren Oberfläche eine stabile durchgehende parkettartige Stäbchen-Schicht (rodlet layer). Hydrophobine sind wichtig in vielen morphogenetischen Prozessen, eingeschlossen Sporulation, Fruchtkörperbildung und Bewerkstelligung von Infektionsstrukturen WINTERSTEIN (2001). Die Adhäsion von Keimschläuchen phytopathogener Pilze an die hydrophobe Kutikula der Pflanzen generiert ein thigmotrophisches Signal, welches zur Ausbildung von Appressorien wie Hafthyphen führt. Der Terminus Appressorien wird auch in der Lichenologie geführt, wenn eine Hyphe die Phykobiontenzelle umklammert DÖRFELT (1989). 

Aspergillus repens (CORDA) SACCARDO.
Die imperfekten Ascomyceten (Deuteromycetes) vermehren sich vegetativ durch asexuelle Konidien. Diese Phialosporen entstehen auf flaschenförmigen Phialiden, in deren Hälsen mesendogene Phialosporen heranwachsen und sich dann abschnüren. Aspergillus repens gehört zur Aspergillus-glaucus-Gruppe, die an den Phialiden keine Metulae ausbildet.
Von manchen Nebenfruchtformen, den Anamorphen, kennt man Hauptfruchtformen, nämlich die Teleomorphe, die "Vollendung" der Zustandsformen. Züchtet man den Gießkannenschimmel auf Sabouraud-Agar, so kann man, wenn die Nährstoffe im Substrat verbraucht sind und man einiges Glück hat, Kleistothezien entdecken, die zu dem perfekten Stadium eines Ascomyceten der Gattung Eurotium LINK ex FRIES gehören und Asci mit 8 Ascosporen enthalten. In unserem Falle können wir bei einem Schimmelpilz eine regressive Evolution feststellen.

Basidiomycetes
Was wir als Pilze wahrnehmen, sind lediglich ihre Fruchtkörper, die, ähnlich den Früchten der Bäume, die Aufgabe haben, ihre Vermehrungsorgane, die Sporen zu erzeugen und zu verbreiten MONTAG (2000). Die Klasse der Basidiomyceten ist durch ihren Meiosporangientyp, die Basidie, hinreichend gekennzeichnet KREISEL (1969). Diese bilden in der Regel die Hauptfruchtform, die bei den Agaricales auf den Lamellen des Basidiocarpes (Fruchtkörper) anzutreffen sind. 
Die Architektur der Basidionome zeigt eine überraschende Vielfalt verschiedener Typen. 
Die Carpogenese, also die Entstehung und Entfaltung der Basidiome, wird in den Primordien vorgezeichnet. Schon sehr früh werden in der Fruchtkörper-Ontogenese die Weichen gestellt. Der negative Geotropismus spielt bei der Gestaltung der Fruchtkörper eine Rolle und stellt einen phylogenetischen Fortschritt dar, wenn der Pilz gegen die Schwerkraft in die Höhe wächst CLEMENÇON (1997).
Die Evolution ist nach Meinung von CLEMENÇON (1997) meist progressiv, und in der Entwicklung des Basidioms scheint die Phylogenie von einem sehr einfachen undifferenzierten Ahn auszugehen. Dieses primitive Basidiom soll sowohl zu den Gastromyceten als auch zu den Hymenomyceten führen CLEMENÇON (1997).
Ein sehr einfacher Holobasidiomyzet hat folgende Merkmale: keinerlei Geflechte, keine physiologische Spezialisierung, kein Schnallenmyzel, keine Fruchtkörper und keine differenzierten Zellen, außer den Basidien. Mangels jeglicher Differenzierung stellt dieser Archetyp keinen Fruchtkörper im üblichen Sinne dar CLEMENÇON (1997).
Die Regressive Evolution geht nach Meinung PATOUILLARDs (1900) folgenden Weg: Glattes Hymenophor und die Krustenpilze sind Endglieder einen stetigen Vereinfachung, etwa nach dem Schema: Röhren wurden zu Stacheln, diese zu Falten, diese zu Warzen, und schließlich verschwanden auch diese CLEMENÇON (1997).
Im Gegensatz zu der regressiven Evolution steht die Idee der progressiven Evolution: Aus corticoiden Krustenpilzen mit glattem Hymenophor entstehen Warzen, Falten, Zähne, Stachel, Röhren und schließlich Lamellen GÄUMANN (1926). OBERWINKLER (1977) schlug eine multiparallele Evolution vor, die von einfachen krustenförmigen Pilzen über komplexere Hymenomyceten zu gastroiden Formen führte. - In CLEMENÇON (1997). Streng genommen sind die Basidiosporen keine Meiosporen, sondern sekundäre Meiosporen.
Bei manchen Tremellales sind die primären Meiosporen noch individuell erkennbar und keimen in der Basidie mit einer die Basidienwand durchbrechenden Hyphe, aber bei den 
Hymenomyceten sind sie so stark zurückgebildet, dass sie zu fehlen scheinen 
Molekular-taxonomische Daten von 5S und 18S ribosomaler RNA zeigen, dass die Tremellales und die Hymenomyceten nahe verwandt sind, dass aber die Tremellales anscheinend jünger als die Hymenomyceten sind HORI & OSAWA (1987), BERBEE & TAYLOr (1993) in CLEMENÇON (1997). Somit kann die heutige Holobasidie vielleicht nicht direkt von der moderneren Tremella-Basidie abgeleitet sein. Vielmehr sollte angenommen werden, dass der gemeinsame phylogenetische Vorfahre (vor etwa 220 Millionen Jahren) eine Basidie mit endogenen Meiosporen oder Meiocyten besaß, die bei den Hymenomyceten wandlos wurden, bei den Tremellalen jedoch bewandet blieben. Oder der gemeinsame Vorfahre bildete nackte Meionuclei und die Meiozyten der modernen Tremellales wurden sekundär bewandet CLEMENÇON (1997).

Exidia thuretiana (LÉVEILLÉ 1848) FRIES 1874 [Weißer Drüsling]
Unsere Exidia ist anscheinend ein primitiver Phragmobasidiomyzet, der sich als gelatinöses Kissen auf feuchten Ästen ausbreitet. Durch seine undifferenzierten Strukturen ähnelt der Drüsling einem Schimmelpilz. Ein Hymenophor ist nicht vorhanden. Am Rande eines Gaze-artigen Geflechtes werden birnenförmige Myzel-Basidien ausgebildet, die ein eigentümliches, uriges Aussehen haben. Bei Exidia nehmen die vier Meiosporen, besser Meiozyten, fast den gesamten Raum der Zygote ein, die in der traditionellen Mykologie als "Phragmobasidien" bekannt geworden ist, da die eng aneinander geschmiegten dünnwandigen Meiozyten septierte Basidien vortäuschen. Die Meiozyten keimen je mit einer kurzen Hyphe (Protosterigma), die bald durch Sprossung eine Ballistospore bildet. Die Fähigkeit zu wiederholter Ballistosporenbildung und zu hefeartiger Sprossung bleibt erhalten. Exidia bildet, wie ich beobachten konnte, auf  Sabouraud-Agar Hefestadien. Die Protosterigmen sind derb. Aber: an ihnen entwickeln sich nicht direkt die allantoiden (wurstförmigen, bananenförmigen) Sporen. Dazwischen ist in der Regel noch eine Zelle geschoben. Alle Zellen sind prall mit körniger Substanz und Vakuolen gefüllt. Wenn die Basidien ihren Zweck erfüllt haben, zeigen sich als ausgelaugte, kollabierte Hüllen. Ihr Inhalt, nämlich energiereiche Nährstoffe, ist entleert und in die Sporen verfrachtet worden.

Mycelbasidien
Von Armillaria mellea s.l. und auch von anderen Hymenomyceten weiß man inzwischen, dass sie Myzel-Basidien aus dikaryotischen Hyphen (Myzel-Basidiom) hervorbringen können. Sie sie also in der Lage, sich über sexuelle Sporen zu vermehren, ohne Basidiome auszubilden. Die Myzelbasidien, die den carpophoren Basidien gleichen, bilden vier ganz normale Sporen CLEMENÇON (1997).

Erkennen von "Selbst" und "Nichtselbst"
Erkennungs- und Abwehrreaktionen gehören zu den Merkmalen, die das Leben charakterisieren. Das Erkennen von "selbst" oder "nicht-selbst" ist ein archaisches, biologisches Grundprinzip. Die Kommunikation auf zellulärer Ebene erfolgt mittels chemischer Signale, wobei beide Partner mit einander reagieren.

Hyphenfusionen: Zwei sich begegnende Hyphen können sich unterschiedlich verhalten. Sie können die Anwesenheit der anderen ignorieren und ungestört weiter wachsen, wie dies während der exponentiellen Wachstumsphase oder in der Randzone eines sich ausbreitenden Myzels der Fall ist. Es ist jedoch auch möglich, dass sich zwei Hyphen berühren und deren Hyphen verschmelzen. Die Hyphenfusion kann sich zwischen verträglichen und auch unverträglichen und auch artfremden Hyphen vollziehen. Im letzteren Fall erkennen sich die Myzelien als "fremd". Fusionen zwischen inkompatiblen Hyphen führen zum Tod oder zum Wachstumsstillstand der betreffenden Zellen CLEMENÇON (1997). Die vegetative "Selbst/Nichtselbst"-Erkennung von Dikaryons zeigt sich durch pigmentierte Zonen, spärlichen Hyphen und manchmal auch zusammen geknitterten Hyphen KÜES (2000). 
"Selbst" und "Nicht-Selbst" werden erst nach der Hyphenfusion beim Kontakt der zwei Zytoplasmen wirksam. Liegen plasmatisch kompatible Fusionen vor, können Kerne und Mitochondrien von einem Myzel in das andere übergehen CLEMENÇON (1997).
Eine der bemerkenswertesten Aspekte im Lebenszyklus der meisten Homobasidiomyceten ist die zeitliche und räumliche Trennung der Zellfusion von der Kernfusion. Die Karyogamie geschieht in den Basidien. Ihr folgt sofort die Meiose (Reduktionsteilung), wobei die Diplophase auf eine einzige Kerngeneration beschränkt bleibt CLEMENÇON (1997).
Weil Syngamie (Plasmogamie) und Karyogamie räumlich und zeitlich getrennt sind, ist der Nucleus in der Lage, neue Partnerschaften einzugehen. Dieser fortlaufende Aufschub der Kern-Fusion verleiht dem Nucleus einen einzigartigen Status: der Nucleus kann sich wie ein Individuum verhalten. Er ist selbstsüchtig, weil er seine Identität nicht aufgibt. Diese Partnerschaft ist nicht gleichwertig und zeigt auch Aspekte von Parasitismus KÜES (2000).
Bei Hyphenfusionen werden Mitochondrien zwischen den Myzelien nicht ausgetauscht. Der wandernde Nucleus verlässt seine ursprünglichen Mitochondrien. Innerhalb der Myzel-Gemeinschaft müssen also Konflikte zwischen egoistischen Nuclei und egoistischen Mitochondrien bestehen KÜES (2000). Diese Vermutung wird durch die ungewöhnliche Beobachtung unterstützt, dass Mitochondrien die vegetative Inkompatibilität in C. cinereus determinieren können MAY (1988) in KÜES (2000).
Sexuelle Fusionen finden zwischen zwei genetisch verschiedenen, aber kompatiblen Myzelien derselben Art statt ("mon-mon-mating"). Aus Basidiosporen entwickeln sich zuerst einmal monokaryotische Myzelien. Begegnen sich zwei monokaryotische Myzelien, so können sie fusionieren. Vermutlich werden alle Zellen beider monokaryotischer Hyphen dikaryotisiert: die übergetretenen Kerne wandern in den Empfänger-Myzelien durch teilweise abgebaute Querwände von Zelle zu Zelle CLEMENÇON (1997).

Lectine in Coprinus cinereus
Pilz-Lectine sind beteiligt an lebenswichtigen Mechanismen wie, Angriff und Verteidigung, Chemotaxis, Erkennung von Symbionten, Auffinden von Nahrungsquellen, Erschließen derselben und Fruchtkörperbildung.
Lektine sind Proteine und Glycoproteine, die befähigt sind, Kohlenhydrate - auch in Lipid- oder Protein-gebundener Form mit hoher Affinität zu erkennen - "auszulesen" - und zu binden. Aktivitäten von Lectinen werden durch die Zucker charakterisiert, an denen sie binden. Analog beschreiben wir menschliche Tätigkeiten durch ihre Berufsbezeichnungen: Gärtner, Köhler, Fischer, Jäger, Schmied...
coproteine. Zuckermoleküle, an Eiweißkörper montiert, sind Antennen, die biologische Informationen signalisieren. Sie sind Schlüssel an einem Schlüsselbund, die in die unterschiedlichsten Schlösser passen. Lectine heften sich an die Oligosaccharide derartiger Antennen; durch diese Interaktion wird das Signal in die Zelle weitergeleitet und die gespeicherten Informationen in biologische Prozesse umgesetzt. Das Rückgrat bei den Glycoproteinen ist eine lange Polypeptidkette. Daran sind die Zuckerketten angehängt. 

Die räumliche Struktur vieler Lectine ist aufgeklärt. Stellen wir uns die Protein-Ketten als ein langes Seil (b-strands) vor, das vielfach gewunden ist, durch Faltung nach dem jelly-roll-motiv (Biskuitrolle) eine flachgedrückte Faltblatt- oder Käfigstruktur (b-sheets) formt, oft zu Spiralen (a-helices) aufgewickelt ist, Kehren (b-turns) macht und mit den Schlingen Fallen bildet, die ein Glycoprotein am Zuckerkomplex packen.

Coprinus cinereus (Schaeffer ex Fr.) S.F. Gray [Struppiger Tintling]
Stirps: Lagopus (Hasenpfote)
Coprinus cinereus gilt in weiten Teilen Europas als sehr verbreitet. Bestimmungen müssen jedoch grundsätzlich auch mikroskopisch abgesichert werden. Der Pilz wurde unter verschiedenen Namen isoliert: C. cinereus, C. delicatulus, C. fimentarius, C. lagopus,  C. macrorhizus f. microsporus und C. radiatus CLEMENÇON (1997), KÜES (2000). Siehe auch MONTAG (1996).
Coprinus cinereus ist ein ideales Versuchobjekt, um Entwicklungsprozesse in Homobasidomyceten zu studieren. Erstens kann der Pilz auf künstlichem Nährboden gezüchtet werden und zweitens hat er einen relativ kurzen Lebenszyklus, der unter Laborbedingungen innnerhalb von zwei Wochen abgeschlossen ist. Einen weiteren Vorteil hat der schnellwüchsige und rasch vergehende Tintling, dass nämlich die Basidien fast synchron reifen und die Teilungsphasen der Sporen direkt bestimmbar sind. Nach 48 Stunden sind der Teilungszyklus und die Sporenreife abgeschlossen. Die meisten Hymenomyceten zeigen dagegen Lamellen mit Basidien in allen Entwicklungsstadien CLEMENÇON (1997). Mit der Autolyse zerstört sich der Pilz selbst.
Phylogenetische Studiden zeigen, dass die Gattung Coprinus polyphyletisch ist: A. Coprinus comatus nistet sich bei lepiotoiden Pilzen ein, während die meisten anderen Vertreter B. eingeschlossen C. cinereus der Gattung Psathyrella nahe stehen. C. cinereus ist ein heterothallischer Basidiomyzet KÜES (2000).

Sexualität von Coprinus cinereus
Das sexuelle Paarungsverhalten bei C. cinereus wird durch zwei Gruppen von 
Inkompatibilitätsfaktoren beeinflusst (tetrapolare Heterothallie). Bei C. cinereus wird die Inkompatibilität durch vier Allele (einander entsprechende Erbanlagen) zweier nicht gekoppelter Genorte (A- und B-mating-loci) kontrolliert mit den Allelen Ax, Ay, Bx und By. Dabei sind die Allele von A und B zwar ungleich, aber kompatibel. x und y repräsentieren die beiden verschiedenen Paarungstypen. Nur Hyphen mit den nicht identischen A- und B-Faktoren sind in der Lage das Dikaryon zu bilden. Mögliche Paarungen sind: AxBx, AxBy, AyBx und AyBy Schwantes (1996), Kües (2000).
Die auf einander entsprechenden Genorten befindlichen Gene eines homologen Chromosomenpaares nennt man Allele. Allele sind unterschiedliche Ausbildungsformen eines Gens, die in homologen Chromosomen gleiche Positionen einnehmen, unter deren Einfluss das entsprechende Material aber unterschiedlich ausgebildet wird.
Auf molekularer Ebene ist grundsätzlich jede Veränderung der Nukleotidsequenz eines Gens gleichbedeutend mit der Bildung eines eigenen Allels. Man beziffert die unterschiedlichen Allele von Coprinus cinereus des A-Genlocus auf 160 oder 240 und die des B-Genlocus auf 80 oder 240, also vermutlich 57.600 verschiedenen Paarunsgtypen Kües et al. (2000).
Während Hormone die Kommunikation innerhalb eines Organismus über Körperflüssigkeiten vermitteln, besorgen die Pheromone die chemische Vermittlung zwischen zwei Organismen derselben Art. Die A- und B-Gene regulieren verschiedene Zellfunktionen.
Molekularanalysen der B-Paarungstypen Gene in Schizophyllum commune und Coprinus cinerus zeigen, dass der B-Lokus Pheromone (kurze Lipopeptide) und Pheromon-Rezeptor-Gene kodiert. Pheromone und deren Rezeptoren verschiedener Spezifitäten sind also komplementär zu sehen. 
Die Gene des A-Paarungstyp-Locus kontrollieren die Paarung der zwei elterlichen Nuclei innerhalb des Dikaryon und induzieren die Bildung von Schnallen. A-Gene kontrollieren Entwicklungsprozesse KÜES (2000).

B-Gene kontrollieren die Nucleus-Migration.
B-Gene initiieren die Fusion der Schnallenzelle mit der subapikularen Zelle und bewirken, dass der gefangene Nucleus wieder freigelassen wird KÜES (2000), BOULIANNE ET AL. (2000). Außer Umweltfaktoren bestimmt auch die genetische Disposition des Myzels die Induktion von Differenzierungsprozessen, die besonders der A-Paarungstyp-Locus kontrolliert. Der A-Paarungstyp-Locus ist auch in die Regulierung der Expression der Gene cgl-1 und cgl-2 involviert. Diese beiden Gene kodieren zwei Galectine BOULIANNE ET AL. (2000).
Kolonien verschiedener A-Spezifitäten und derselben B-Spezifität zeigen gegenseitige Aversionen. Dies zeigt sich in Sperren, Zonen spärlichen Wachstums. Eine Studie über Lenzites betulinus zeigt, dass solche Sperrgebiete in Verbindung mit den Aktionen von löslichen Pheromonen stehen. Die Erkennung von Selbst und Nichtselbst geschieht hier vermutlich extrazellulär.

Es ist nicht bekannt, ob die die Produkte der A-Paarungstypen positive oder negative 
Regulatoren in der Entwicklung sind, weil morpologische Veränderungen nicht zeigen, ob der regulative Effekt nun direkt oder indirekt ist. Mit der Isolierung der Galectine in C. cinereus, deren Expression durch kompatible Produkte von A-Paarungstypen induziert wird, sind die ersten Zielgene verfügbar, die zeigen, dass die Proteine des A-Paarungs Typus als direkte posistive Regulatoren agieren BOULIANNE ET AL. (2000), KÜES (2000).
Wie Untersuchungen am Maisbrand (Ustilago maydis) und Hefe zeigen, bestehen viele 
verschiedene Kontaktpunkte in den hypervariablen N-Termini der HD1 und HD2-Proteine, die abhängig von der jeweiligen Proteinkombination negativ oder positiv zu einer Interaktion beitragen können.
Das Ausbleiben von Interaktionen zwischen Proteinen, die derselbe A-Lokus kodiert hat, bestimmen die Parrungs-Spezifität. Zwischen unverträglichen Proteinen besteht also Aversion.
Aversionen und Attraktionen werden auf molekularer Ebene durch Proteine "befohlen".
Dieselben Strategien der Gen-Multiplikation und Divergenz in der Allelsequenz werden auch angewendet, um multiple Spezifitäten der B-Paarungs-Typen zu generieren, obgleich die kodierten Genprodukte gänzlich unterschiedliche Funktionen ausüben KÜES (2000).
Obgleich A und B-Gene verschiedene Zellfunktionen "befehlen", kontrollieren sie gemeinsam im Dikaryon gewisse Funktionen wie die Bildung von cAMP, die cAMP-abhängige Proteinkinase-Aktivität und die Initiierung der Fruchtkörper-Bildung. Auffallend ist, dass all diese Funktionen durch Licht reguliert oder stimuliert werden KÜES (2000).

Morphogenese der Hyphen - Die Pilze kennen das Recycling!
Die Zellwände der Pilze müssen wie die Wände der Pflanzen und Algen ausreichend stabil sein, dem Zellturgor und äußeren Einflüssen Widerstand leisten, aber das Zellwachstum erlauben. Bei Pilzen ist die Zellwandausdehnung auf die Hyphen-Spitze beschränkt. Verästelungen entwickeln sich durch Umwandlungen reifer Seitenwände der Hyphen.
Das apikale Wachstum der Pilzzzelle vollzieht sich in der Scheitelregion und wird von dem Spitzenkörper koordiniert, den BRUNSWIK (1924) entdeckte und deutete CLEMENÇON (1997). Der Spitzenkörper ist als kleine, dichte Zone im Hyphenscheitel im Mikroskop sichtbar, reagiert aber äußerst sensibel auf Strörungen und verschwindet vorübergehend bei Deckglasauflage oder bei intensiver Beleuchtung CLEMENÇON (1997).
Polysaccharide in der Zellwand werden recycelt. Bei der Wanderung der Zellkerne in neue Zellen, sind entweder die Septen über Porenkanäle für sie passierbar, oder es müssen Schnallen als "Kernschleusen" DÖRFELT (1989) gebaut werden. Dafür müssen Löcher oder Breschen in die Zellwände gestemmt und wieder verschlossen werden. Auch bei der Ausbildung von Fruchtkörpern werden Polysaccharide degradiert und wieder verwertet WESSELS (1999).
Die gebündelten Aktivitäten von Wandsynthese und Proteinsekretion, unterstützt durch die enorme Penetrationskraft, die durch den Turgordruck erzeugt wird, machen die Pilzhyphen zu Tunnel-bohrenden Geräten, die ideal ausgestattet sind, um in tote und lebende Substrate einzudringen. An der äußersten Hyphen-Spitze werden plastische Wandkomponenten an der Plasmamembran aufgebaut, in die dehnbare Spitzenwand gedrückt und allmählich kreuzvernetzt. Die Zelle wächst weiter, reift, und die Hyphenwand verfestigt sich. Apikale Vesikel, die mit der Plasmamembran an der Hyphenspitze fusionieren, enthalten Proteine, die für den Export ins Medium bestimmt sind. In dem Maße wie neues Wandmaterial beständig an die Innenseite der Zellwand gebracht wird, wird älteres Material wieder abgetragen und ständig der Außenseite zugeführt. Man vermutet, dass Proteine an die Innenseite der Wand gespült werden, wo die maximale Wandsynthese herrscht, und durch die wachsende Wand ausgeschleust werden. In dem Strom der naszierenden Wandglycane werden die Proteine wie ein Holzfloß in einem Fluss mitgeschwemmt (bulk-flow) und gelangen an die Außenregion der Zellwand WESSELS (1999).
Diese "bulk-flow"-Hypothese von WESSELS, SIETSMA ET AL. erklärt, warum die Pilzhyphen solche effizienten Sekretionsmaschinen sind, die manchmal mehr als die Hälfte ihrer synthetisierten Proteine an das sie umgebende Medium exportieren WESSELS (1999).
Die Zellwände sind zusammengesetzte Strukturen aus langen Polysaccharid-Mikrofibrillen, die für Zugfestigkeit sorgen. Diese sind vernetzt und eingebettet in eine Matrix von anderen Polysacchariden und Proteinen. Bei den meisten Pilzen sind die Mikrofibrillen aus Chitin zusammengesetzt, Homopolymere aus b-verknüpften N-Acetylglucosamin-Einheiten.
Bei den Arthropoden bilden Chitin-Moleküle langvernetzte Ketten, die in der Kutikula der Tiere wie Sperrholz geschichtet sind und jene erstaunlichen physikalischen und statischen Eigenschaften zeigen.

Morphogenetische Strukturen bei Coprinus cinereus
Zwei unterschiedliche Haupttypen des Myzels können unterschieden werden: nämlich das 
infertile Monokaryon und das fertile Dikaryon. Eine bemerkenswerte Flexibilität zeichnet C. cinereus aus, um auf unterschiedliche Umweltbedingungen zu reagieren. 
So finden wir eine Vielfalt morphogenetischer Strukturen bei C. cinereus:
1. das Monokaryon, das Dikaryon, die Noduli (Hyphenknoten) CLEMENÇON (1994) als Vorstufe zu den Primordien, Fruchtkörper und die reproduktiven Basidien;
2. monokaryotische Differenzierungen zu Oidiophoren und Oidien wie, monokaryotisches Myzel, Chlamydosporen und Sklerotien.
In vegetativen monokaryotischen Hyphen von Coprinus cinereus werden zwei Hydrophobine (COH-1 und COH-2) exprimiert; in asexuellen Oidien und in den Fruchtkörpern kommen sie nicht vor, im dikaryotischen Myzel nur in geringen Mengen ASGEIRSDOTTIR ET AL. (1997) in WINTERSTEIN (2001). 
Die Fruchtkörperbildung ist ein überaus komplizierter Prozess, in dem dramatische Veränderungen stattfinden. Aus einem dreidimensionalem, lockerem Maschenwerk gleicher Hyphen entwickelt sich ein kompaktes, plektenchymatisches Gebilde aus differenzierten Zellen CLEMENÇON (1994, 1997), KÜES (2000), BOULIANNE ET AL. (2000).
Studien über Zellwandstrukturen von Saccharomyces cerevisiae zeigen, dass die äußersten Schichten der Zellwand aus Oligosacchariden, insbesondere Mannanen, zusammengesetzt sind, die kovalent durch Asparagin, Serin oder Threonin mit Proteinen verbunden sind.
Höhere Pilze dagegen können komplexere Oligosaccharide auf ihrer Zelloberfläche haben, 
nämlich Xylomannane und Galactomannane. Daraus kann man schließen, dass Interaktionen von Hyphen durch Lectine vermittelt werden BOULIANNE ET AL. (2000).
Von C. cinereus wissen wir (s.u.), dass seine Galectine spezifisch an b-Galactoside binden, unabhängig von Ca2+-Ionen. Diese Kriterien unterscheiden die Galectine von allen anderen Lectinen. Bei Tieren sind Galectine in viele zelluläre Prozesse involviert, die Zelldifferenzierungen betreffen, wie Entwicklung von Muskelgeweben, Ausbildung von Riechorganen, embryonale Einnistung, Metastase, Apoptose und mRNA-Splicing. 

Veränderungen im Myzelium - Metablematische Endocarpie CLEMENÇON (1997)
1. Nodulus
Bei vielen Hymenomyceten entsteht aus dem Myzel nicht direkt eine Fruchtkörperanlage, sondern ein kisssenförmiges bis kugeliges Knötchen.CLEMENÇON (1994) hat dafür den Begriff  "Nodulus" eingeführt. Vor und während der Fühentwicklung des Nodulus bilden sich im Myzel blasenförmige, Glycogen-haltige Zellen. Das Glycogen wird später in den Nodulus, dann in den Stiel und schliesslich in den Hut des Basidioms verlagert MATTHEWS & NIEDERPRÜM (1972) in WINTERSTEIN (2001).
Die Fruchtkörper-Entwicklung bei C. cinereus ist monozentrisch. 
Die Frühentwicklung des Nodulus beginnt damit, dass von vegetativen Hyphen Lufthyphen emporwachsen. Im Normalfall stammen Hyphenknoten von mehr als einer generativen Hyphe ab. Äste von benachbarten Lufthyphen wachsen auf einander zu, lagern sich längsseits und verschmelzen durch Anastomosen an den lateralen Hyphenwänden und formen so ein verwickeltes und leicht zu erkennendes Gitter KÜES (2000).
Dieser Prozess findet nur im Dunkeln statt, Licht unterbindet ihn. Die Expression eines Galectins Cgl-2 korreliert mit der Formierung zum Nodulus und wird ebenfalls durch Licht gestoppt, wohingegen die Expression von des Galectins Cgl-1 durch Licht begünstigt wird KÜES (2000).
Hyphen/Hyphen-Interaktionen werden wohl meistens durch strukturelle Faktoren vermittelt, die auf der Zellwand und der extrazellulären Matritze - extracellular matrix (ECM) - zugegen sind. Die Galectine unseres Tintlings sind ECM-Proteine, die unabhängig von dem normalen Weg sezerniert werden BOULIANNE ET AL. (2000).
Die weitere Entwicklung zu Basidiomata ist nun abhängig vom Licht. Die neue Phase beinhaltet eine Weichenstellung von einem sich verzweigenden zu einem verwobenem Hyphenwachstum Kües (2000).
Die Galectine sind in die Hyphen-Hyphen-Aggregation verwickelt BOULIANNE ET AL. (1998), COOPER ET AL. (1997). Sie sind nicht essentiell für die Nodulus-Bildung, in Übereinstimmung mit der Beobachtung, dass die Hyphen-Aggregation für die Ausbildung eines Nodulus nicht notwendig ist (2000). 
Nicht nur durch das Licht, sondern auch durch andere Umweltfaktoren wird die Fruchtkörperbildung unseres Tintlings kontrolliert: Hungert nämlich der Pilz, so wird dieser Differenzierungsprozess vorangetrieben! Kulturen, die in vollständiger Dunkelheit wachsen, Hyphenknoten und Sklerotien bilden, stellen diese Differenzierungen ein, sobald das Angebot an Kohlenstoff (Glucose) und Stickstoff (Asparagin) erhöht wird BOULIANNE ET AL. (2000). Die Steigerung der Glucose-Konzentration im Nährboden ist wirksamer als die Erhöhung der Stickstoffmenge. Die Mengen von Cgl-2 in den Kulturen korrelieren mit der Anzahl an Sklerotien: hohe Glucose- oder Asparaginwerte unterdrücken die Cgl-2-Expression BOULIANNE ET AL. (2000).

2. Initialen
Die kugeliege Hyphenaggregation der Initiale, die aus dem Nodulus hervorgeht, die primordiale Knospe - primordial bud - ist die erste Struktur, die eine klare histologische Differenzierung zeigt KÜES (2000). Die dicht gepackten Zellen im Kern sind reich an Glycogen, und zwischen den Zellen sind große Mengen an schleimigem Material. Anastomose und Austausch von Zytoplasma erfolgt vermutlich zwischen an einander liegenden Zellen KÜES (2000).
Vom Nodulus wächst eine Matrix mit dichterem Kern und lockerer Hülle aus. Früh richten sich die Hyphen des Kerns parallel aus und werden kurzzellig turgeszent. So entsteht die Stielanlage. Oben geht der Stiel in eine kleine knopfförmige pseudoparenchymatische Hutanlage über. Die Hutanlage hebt die Matrixhülle etwas von der Stielanlage ab, wodurch eine prähymeniale Ringhöhle entsteht. In diesem Stadium fehlt bei vielen Tintlingen eine Hutdeckschicht. Über der der Fruchtkörperanlage wächst die Matrix zu einem kräftigen Lemmablem ("Velum universale") heran CLEMENÇON (1997).
Wenn die Pilzkulturen 5 Tage lang bei 37°C in der Dunkelheit wachsen, produzieren sie keine Galectine und entwickeln sich auch nicht weiter. Werden jedoch diese Kulturen bei 25°C einem Tag/Nacht-Zyklus von 24 Stunden, also bei 12 Stunden Helligkeit ausgesetzt, dann erscheinen am nächsten Tag Noduli, in denen das Galectin Cgl-2 auffindbar ist.
Noduli entwickeln sich, falls sie einer stimulierende Lichtperiode ausgesetzt werden, über Initialen und Primordien nach 3 Tagen zu Fruchtkörpern.
Dagegen bilden sich Hyphenknoten, wenn sie einem ständig wechselnden Tag/Nacht-Rythmus ausgesetzt werden, über den gesamten Nährboden und entwickeln sich fast ausschließlich am Rand der Petrischale zu Initialen. Dies macht es möglich, das Myzel in innere nicht-fruchtendende und äußere fruchtenden Zonen zu trennen. Wenn Galectine von der inneren nicht-fruchtenden Zone extrahiert wurden, wurde nur Cgl-2 detektiert, wohingegen in der äußeren fruchtenden Zone in den Initialen und Primordien nur Cgl-1 detektiert wird.
Diese Daten zeigen, dass die zwei Galectine unterschiedlich gebildet werden: Cgl-2-Expression korreliert mit der Formierung von Hyphenknoten, Cgl-1 wird ausschließlich im fruchtenden Myzel, also in hohen Konzentration im Gewebe der Fruchtkörper gefunden BOULIANNE ET AL. (2000).
Die Expression von Cgl-2 korreliert mit der Bildung von Noduli und ist die Antwort auf Umweltbedingungen wie Entzug von Nahrung, während die Expression von Cgl-1 besonders in den Primordien und den Fruchtkörpern stattfindet BOULIANNE ET AL.(2000).

3. Primordien
Die Architektur der Basidionome zeigt eine überraschende Vielfalt verschiedener Typen. 
Die Carpogenese, also die Entstehung und Entfaltung der Basidiome, wird in den Primordien vorgezeichnet. Schon sehr früh werden in der Fruchtkörper-Ontogenese die Weichen gestellt.
Der negative Geotropismus spielt bei der Gestaltung der Fruchtkörper eine Rolle und stellt einen phylogenetischen Fortschritt dar, wenn der Pilz gegen die Schwerkraft in die Höhe wächst CLEMENÇON (1997).
Die Größenzunahme des jungen Fruchtkörpers beruht vor Beginn der Meiose der Basidien vor allem auf Zellvermehrung, nachher auf Zellstreckung CLEMENÇON (1997).
Die Expression der cgl-2-Gene, die Cgl-2-Galectine kodieren, ist initiiert durch Signale wie Entzug von Nahrung und ist erforderlich für die Zell-Aggregation BOULIANNE ET AL. (2000).
Die Expression der cgl-1-Gene, die Cgl-2-Galectine kodieren, ist verantwortlich für die weitere Zelldifferenzierung BOULIANNE ET AL. (2000). 
Mit den beiden Galectinen ist es möglich, auf molekularer Ebene die verschiedenen Pfade der Basidiom-Entwicklung zu deuten BOULIANNE ET AL. (2000).
Wenn C. cinereus Fruchtkörper ausbildet, werden große Mengen von Galectinen in diesen gefunden. Die Fruchtkörperbildung korreliert mit externen Signalen und ist perfekt synchronisiert mit dem Tag/Nacht-Zyklus von Hell und Dunkel BOULIANNE ET AL. (2000), KÜES (2000). 

4. Basidiom (Fruchtkörper)
Werden Myzelkulturen dem Wechsel von Dunkelheit und Licht in einem Tageszyklus von jeweils 12 Stunden Dunkelheit und Helligkeit ausgesetzt, so beginnt das Myzel in der darauf folgenden Nacht mit der Formation von Noduli. Auf Licht-Induktion hin, können diese sich nun zu Initialen entwickeln. Innerhalb der Initialen beginnt nach einem weiteren Tag/Nacht-Zyklus die Zelldifferenzierung. Ein weiteres Lichtsignal ist notwendig, damit der Nodulus zum Primordium anwächst, wo all die Gewebe vorgebildet sind, die den Pilz zusammensetzen. Aber dieses letzte Lichtsignal ist notwendig, ansonsten findet Bleichwuchs statt, mit langen bleichen Stielen ("etiolated stipes") und unfertigen Hüten.
Nach einer weiteren Dunkelperiode wird Licht benötigt, um Karyogamie und Meiose in den Probasidien zu vollenden. Dann reift nach 48 Stunden der voll entwickelte Fruchtkörper und löst sich schließlich auf (Autolyse). Synchron haben sich die Basidien entwickelt und im Gleichtakt haben sich die meiotischen Teilungen des diploiden Zellkerns vollzogen, die sich dann paarweise in den vier reifen Basidiosporen wiederfinden CLEMENÇON (1997), BOULIANNE ET AL. (2000), Kües (2000).
Auf der Hutoberfläche des Pilzes findet sich ein flauschiger Schleier, das Velum. Darunter ist die rigide Cortex des Hutes, die das Lamellengewebe stützt, welches die Trama, das Subhymenium und das Hymenium enthält CLEMENÇON (1997). Sowohl Cgl-1 und Cgl-2 werden in den verschiedenen Geweben in relativ gleichen Anteilen gefunden. Die höchsten Anteile finden sich im Velum, in den äußersten Schichten des Stieles, dem Lipsanoblem CLEMENÇON (1997), die niedrigsten Mengen in den Lamellen selbst und in den Basidien überhaupt nicht BOULIANNE ET AL. (2000).

Physalohyphen 
Eine vegetative Hyphenzelle kann durch Vergrößerung der Vakuole beträchtlich anschwellen. Durch den steigenden Turgor, infolge einer gewaltigen Wasseraufnahme, dehnt sich die Zelle wie ein Ballon aus. Bei den aufgeschirmten Hymenomyceten besteht das Plektenchym des Fruchtkörpers aus solchen turgeszenten Zellen. Der physiologische Sinn der Physalohyphen der Fruchtkörpertrama liegt in der raschen Entfaltung vorgebildeter Geflechte und Organe. Diese werden während der Primordialentwicklung aus generativen Hyphen angelegt. Das Aufschirmen eines Blätterpilzes wird vorwiegend durch dieses "Aufpumpen" mit Wasser bewerkstelligt. 
Die Physalohyphen erlauben eine rasche Vergrößerung des Volumens und der Oberfläche bei einer konstanten oder nur noch geringfügig erhöhten Biomasse CLEMENÇON (1997).

5. Basidien
Die Basidien von C. cinereus sind die einzigen Zellen, die sich übereinstimmend entwickeln.
Probasidien können in ihrer Entwicklung gestoppt werden. Ist die Meiose aber erst einmal eingeleitet, dann reifen die Basidien konsequent autonom und endotropisch heran. Die Basidie erhebt sich gewöhnlich als endständige Zelle von einem Hyphenast und ist von der darunter liegenden Zelle durch ein Septum mit einem Doliporus abgetrennt.
Das Zytoplasma in der Probasidie ist noch relativ einfach mit zahlreichen freien Ribosomen, wenigen Vakuolen, Mitochondrien und limitiertem endoplasmatischem Retikulum. Zur Zeit der Kernfusion findet sich Glycogen an der Basis der Basidie. Wenn die Basidiosporen sich ausbilden, zeigt sich wiederum an der Basis eine Vakuole, die sich allmählich ausbreitet und schließlich die gesamte Zelle füllt. Die Bildung der Basidiosporen beginnt mit der Entwicklung der Sterigmen. Diese beginnen als breite Beulen und verlängern sich vergleichbar dem Spitzenwachstum einer Hyphe. Die Zellwand der Sterigmen ist dreilagig wie die Basidien-Wand nur dünner. Es ist nicht klar ob die Sterigmenwand eine Fortsetzung der Basidien-Wand ist. Die Sporenwand jedenfalls ist vielschichtig und verändert sich dauernd während des Entwicklungsprozesses. Während der Sporenbildung orientieren sich zahlreiche Mikrotubuli longitudinal in den Sterigmen und Golgi-Vesikel bringen Kohlenhydrate heran, damit sich Sporen und Sporenwand entwickeln können.
Die meisten Hymenomyceten schließen den beiden meiotischen Teilungen eine dritte Kernteilung an. Die dritte Kernteilung findet oft gerade unter den Sterigmen oder sogar in ihnen statt. Verschiedene Möglichkeiten beschreibt CLEMENÇON (1997): manche Sporen enthalten zwei Kerne, vielfach verkümmern aber vier von acht haploiden Kernen CLEMENÇON (1997).

Coprinus cinereus Galectine (Cgl-1 + Ggl-2)
Die Isolierung von Galectinen aus Coprinus cinereus zeigt, dass es sich um eine uralte Genfamilie handelt. Die Coprinus-Galectine sind die ersten Galectine, die zuerst außerhalb des Tierreiches nachgewiesen wurden. Die Pilze trennten sich schätzungsweise vor 1 Milliarde Jahren vom Tierreich. Das Coprinus-cinereus-Galectin (Cgl-2) zeigt besonders Affinität zum Blutgruppen-A-Tetrasaccharid. Solche Konservierung besagt, dass Galectine sich entwickelten, um grundlegende biologische Funktionen zu verrichten COOPER ET AL. (1997), COOPER & BARONDES (1999).
Im Menschen und in den verschiedensten Tierstämmen finden wir Galectine, die sich in der Aminosäurensequenz und im spezifischen Binden an b-Galactoside gleichen PERILLO ET AL, RABINOVICH ET AL. (1999). Angehörige dieser Genfamilie haben alle 
Kohlenhydrat-Bindungsdomainen konserviert, sog. CRDs (carbohydrate recognition domain). 
Zeugnis für multiple Funktionen der Galectine: Die Präsenz von Galectinen in so vielen Spezies, die sich im Laufe der Evolution getrennt haben, lässt vermuten, dass sie an grundlegenden zellulären Funktionen teilhaben COOPER & BARONDES (1999).
Obwohl Galectine sowohl im Zytoplasma als auch extrazellulär gefunden werden, hat keines von ihnen Peptide, die eine Sekretion signalisieren würden COOPER & BARONDES (1999).
Ihre Affinität für Oligosaccharide, die sich an Glycokonjugaten auf Zelloberflächen befinden, lassen vermuten, dass Galectine überwiegend extrazytoplasmatische und extrazelluläre Wirkungen haben auf Adhäsion, Proliferation, Apoptosis, Metastasis und Immunfunktion. Galectine sind wichtig, um Veränderungen zu regulieren, sei es im Zell-Zell-Bereich oder in Zell-Nährboden-Interaktionen COOPER & BARONDES (1999).
Die Coprinus-Galectine üben keine katalytischen oder signalisierenden Wirkungen aus, sondern eher strukturelle, in dem sie Veränderungen in der Entwicklung der Fruchtköper regulieren COOPER ET AL (1997). Unter den Genen, die speziell innerhalb des Fruchtkörpers exprimiert werden, sind jene, die zwei Galectine kodieren KUES (2000). Die Entscheidung, ob differenzierte Strukturen ausgebildet werden, seien es Sklerotien, dickwandige Chlamydosporen oder reproduktive Organe, wird auf der Basis von Umwelteinflüssen getroffen wie Licht, Temperatur, Feuchtigkeit und Nahrungsangebot KÜES (2000).
Es ist bemerkenswert, dass Galactose-bindende Lectine (Galectine) nicht im Myzel, sondern im Fruchtkörper in großer Menge synthetisiert werden zu einer Zeit (Idiophase), wo der Organismus verhungert und Fruchtkörper ausbildet. Die Metamorphose des Pilzes ist offensichtlich: Aus einem vegetativen Myzel wird ein komplexes Gewebe geflochten, nämlich das Plektenchym, das den Phänotyp des Pilzes darstellt COOPER ET AL. (1997), KÜES (2000).
Wie bei allen Galectinen konkurrieren Galactosamine, Galactoside und Lactoside um die Lectin-Bindungstelle.
Galactosid-bindende Lectine werden speziell während der Fruchtkörper-Bildung auch in anderen Organismen exprimiert, wie in dem Schleimpilz Dictyostelium discoideum und dem Bacterium Myxococcus xanthus. Wird bei diesen beiden Organismen die Lectin-Produktion 
Herunter gefahren, so werden auch vermindert Fruchtkörperformationen gebildet ROSEN ET AL.(1996) in WINTERSTEIN (2001).

Erläuterungen
S = Svedberg-Einheit (1S = 10-13 s) gibt die Wanderungsgeschwindigkeit von Partikeln im Beschleunigungsfeld der Ultrazentrifuge an, die vom schwedischen Chemiker und Nobelpreisträger Svedberg entwickelt wurde. Die Sedimentations-Geschwindigkeit von Partikeln ist abhängig von deren Dichte, Größe und der Viskosität der Flüssigkeit. Mit Ultrazentrifugen können Trägheitskräfte bis zum 500.000-fachen der natürlichen Schwerkraft erreicht werden, dadurch wird die fraktionäre Sedimentation und Auftrennung von Zellbestandteilen ermöglicht.

Ethymologie:
lat.: dolium = großer Krug ®Doli|pores Septum
legere = auswählen
alloioz, alloios = verschieden ® Allel
dinh, dine = Strudel, Wirbel ® Dinophyten 
genea, genea = Geschlecht, Stamm
genoz, genos = Sprößling ®Genetik
karpoz, karpos = Frucht; joroz, phoros = tragend, Abgabe ®Karpophor = Fruchtträger
karuon, karuon = Nußkern
lemma, lemma = Eierschale; blhma, blema = Wurf mit Würfeln ® Lemma|blem, Velum universale
meiow, meioo = verkleinert werden ® Meiose
onjwz, onthos = wirklich, wahrhaft, absolut
plektoz, plektos = geflochten; encew, enchyo= eingießen, füllen ® Plektenchym
julon, phylon = Geschlecht, Familie
jragma, phragma = Zaun, Mauer, Einschluss ®Phragmo|Basidiomycceten
jusa, physa = Blase ® Nachtschattengewächs Physalis alkekengi L. (Wilde Blasenkirsche)
juton, phyton = Gewächs, Pflanze ® Präfix: Phyto|®
franz.: compartiment = abgeteiltes Feld, Zugabteil

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Interessenten können beim Verfasser gern weitere Unterlagen und Literatur über Lectine in Pilzen anfordern.

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